David Basin ist Leiter des Instituts für Informationssicherheit an der ETH Zürich und Co-Leiter des «Zentrums für digitales Vertrauen».

App hilft gegen Dokumentenfälschung

Forschende des Zentrums für digitales Vertrauen an der ETH Zürich haben eine App entwickelt, um Papierdokumente zu authentifizieren. Ein Pilotprojekt mit der Stadt Zürich zeigt: Dank der neuen App gibt es kaum noch Probleme mit Fälschungen von Betreibungsregisterauszügen.

In der Stadt Zürich eine Wohnung zu finden, ist nicht ganz einfach. Je nach Wohnung und Stadtkreis kann die Liste der Interessentinnen und Interessenten ellenlang sein. Wer keinen sauberen Betreibungsregisterauszug vorweisen kann, fällt sofort aus dem Rennen. Für Menschen, die schon einmal in ein Betreibungsverfahren verwickelt waren, ist die Versuchung deshalb gross, ihren Auszug zu fälschen.

Für Vermieter ist es entsprechend wichtig zu kontrollieren, ob ein Betreibungsauszug echt ist. Bis im April 2024 mussten sie dies mittels einer Anfrage bei den städtischen Betreibungsämtern tun. «Wir hatten in der ganzen Stadt Zürich täglich zwischen zwanzig bis dreissig Anfragen bezüglich Fälschungen», sagt Yves de Mestral, Präsident des Verbands der Amtsleiterinnen und Amtsleiter der Stadtammann- und Betreibungsämter der Stadt Zürich. Ein bis zwei Mal pro Woche sei eine Fälschung festgestellt oder gemeldet worden – mit einer hohen Dunkelziffer.

Seither hilft eine App, die Forschende um David Basin entwickelt haben. Basin ist Leiter des Instituts für Informationssicherheit an der ETH Zürich und Co-Leiter des «Zentrums für digitales Vertrauen», das von der Werner Siemens-Stiftung unterstützt wird. Er und sein Team haben eine Methode entwickelt, um Papierdokumente mithilfe digitaler Mittel einfach zu authentifizieren. Um Fälschungen zu finden, vergleicht ihre App namens thenti das Dokument mit dessen Originalversion.

Kaum mehr Fälschungen

Im Fall des Projekts mit der Stadt Zürich funktioniert das folgendermassen: Seit April enthalten sämtliche neu ausgestellten Betreibungsregisterauszüge der Stadt einen QR-Code. Scannen Hauseigentümer oder Vermieterinnen den Auszug mit der thenti-App, untersucht diese, ob das Dokument mit dem Original übereinstimmt, das auf einem Server verschlüsselt hinterlegt ist. Findet die App Unterschiede, zeigt sie diese an. Der Nutzer kann diese überprüfen und entscheiden, ob er das Dokument trotzdem für vertrauenswürdig hält oder ob es sich um eine Fälschung handelt.

Das Projekt ist ein voller Erfolg. «Die Nachfragen punkto Fälschungen haben deutlich abgenommen, es sind heute höchstens fünf bis zehn pro Tag», sagt Yves de Mestral. «Für unsere Mitarbeitenden stellt dies eine erhebliche Erleichterung dar, welche sich aber kostenmässig nur schwer quantifizieren lässt.» Fälschungen von Betreibungsregisterauszügen stelle er praktisch keine mehr fest. «Wir gehen davon aus, dass der QR-Code-Aufdruck auf den Dokumenten eine erhebliche präventive Wirkung hat.» Auch aus technischer Sicht halte die App, was sie verspreche, ergänzt Frank Loeliger, Service-Verantwortlicher E-Government der Organisation und Informatik Stadt Zürich. «Sie läuft einwandfrei, wir hatten keine Ausfälle.»

Auch die Forscher ziehen eine positive Bilanz. «Es ist ein aufregendes Projekt, weil unseres Wissens weltweit das erste Mal unter realen, unkontrollierten Bedingungen ein digitales System eingesetzt wird, um die Echtheit von Papierdokumenten zu untersuchen», sagt David Basin. Umso erfreulicher sei der reibungslose Ablauf, ergänzt Jesus Solano. Der Doktorand in Basins Forschungsgruppe ist Mitgründer und Geschäftsführer des ETH-Spin-offs thenti. Wichtig sei auch, dass es bislang kaum Support-Anfragen der App-Nutzer gegeben habe. «Das bedeutet, dass die Technologie und die Algorithmen, die wir entwickelt haben, robust und verständlich sind.»

Strikter Datenschutz

Insgesamt stellt die Betreibungsämter der Stadt Zürich jede Woche rund 2600 Betreibungsregisterauszüge aus. Laut den Forschenden werden momentan monatlich rund 300 Dokumente mit der App geprüft. Ungefähr 300 Leute nutzen die App aktiv. Das mag nach wenig klingen. Doch die mittels thenti-App überprüften Auszüge dürfen nicht ins Verhältnis gesetzt werden zu den ausgestellten Auszügen, sondern zu den pro Monat effektiv vermieteten Wohnungen. Denn es ist davon auszugehen, dass eine Überprüfung nur bei den letztlich ausgewählten Mieterinnen und Mietern stattfindet. Wahrscheinlich handle es sich bei vielen App-Nutzern um professionelle Hausverwalter oder Vermieterinnen, die nicht nur einen, sondern viele Auszüge prüften, sagt Solano.

Wie viele Fälschungen mit thenti bereits entdeckt wurden, können weder die Stadtverantwortlichen noch die Forscher sagen. Aus Datenschutzgründen ist die App so konstruiert, dass alle Daten beim Nutzer bleiben. «Wenn jemand einen gefälschten Betreibungsauszug entdeckt, wird er es wahrscheinlich der Polizei melden – wir sind nicht involviert», sagt Jesus Solano.

Trotzdem sieht er Entwicklungspotenzial, zum Beispiel bei der Erkennungsgenauigkeit. Die Forscher stellen fest, dass manche Nutzer, wahrscheinlich ungewollt, der App das Leben schwer machen. Sie scannen das Dokument beispielsweise an einem Ort mit starken Schlagschatten. Oder sie falten das Papier, wodurch eine gerade Linie plötzlich bogenförmig wird. Solche Veränderungen sind für das menschliche Gehirn kein Problem; für den Algorithmus der App hingegen stellen sie grosse Herausforderungen dar. «Wir sind daran, neuronale Netzwerke zu entwickeln, die in der Lage sind, mit solchen Veränderungen umzugehen», sagt Jesus Solano.

Weitere Einsatzmöglichkeiten

Auch punkto Benutzerfreundlichkeit möchten die Forscher weitere Fortschritte machen. Momentan läuft dazu gemeinsam mit WSS-Projektpartner Matthew Smith in Bonn eine Studie mit mehreren Dutzend Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Das Ziel ist es herauszufinden, wie gut Nutzer mithilfe der App die Echtheit eines Dokuments erkennen können – von plumpen bis zu raffinierten Fälschungen. «Dabei geht es nicht nur darum, wie gut unsere Algorithmen sind, sondern auch wie bedienerfreundlich die App ist», sagt Solano.

Die digitale Authentifizierung wichtiger Papierdokumente, da sind sich die Beteiligten einig, hat Potenzial. Aus seiner Sicht wäre ein Ausrollen der App auf weitere Gemeinden oder Kantone sinnvoll, sagt Frank Loeliger. Und Yves de Mestral ergänzt, dass es interessant wäre, anhand einer Studie das Potenzial solcher Lösungen für weitere behördliche Dokumente zu prüfen.

Denn eines ist klar: Es gibt viele weitere Beispiele, für die sich der Einsatz der neu entwickelten Software eignen könnte. Die Palette reicht von Zivilstands-Dokumenten, Geburts- oder Sterbeurkunden bis zu beruflichen Diplomen oder Bankdokumenten. Sogar dreidimensionale Objekte wie wertvolle Uhren oder Luxus-Handtaschen könnten in Zukunft mit solchen Methoden vor Fälschungen geschützt werden. Das Interesse sei vorhanden, erzählt David Basin. «Wir haben bereits weitere Anfragen, aber es ist noch zu früh, um Konkretes zu sagen.»