Im Tandem näher an die Technik

Unterstützt von Mentorinnen erkunden begabte Mädchen technische Berufe. Die Werner Siemens-Stiftung hat die Anlaufphase des Programms «Swiss TecLadies» der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften unterstützt. 

Wir leben in einer digitalisierten Welt. Entsprechend gute Aussichten bieten jungen Menschen sogenannte MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). Trotzdem wählen junge Frauen solche Ausbildungen noch immer selten. In der Schweizer Tech-Industrie beträgt der Anteil weiblicher Lehrlinge laut dem Verband Swissmem gerade einmal 18 Prozent. In der Informatik (7,2 Prozent) und im Ingenieurwesen (7,4 Prozent) ist der Anteil laut dem Bundesamt für Statistik sogar noch kleiner.

Um mehr junge Frauen für technische Berufe zu begeistern, hat die Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften (SATW) im Jahr 2017 «Swiss TecLadies» ins Leben gerufen, ein nationales Mentoring-Programm für Mädchen zwischen 13 und 16 Jahren. Die Werner Siemens-Stiftung hat das Programm während der ersten fünf Jahre finanziell unterstützt. Während jeweils neun Monaten werden talentierte junge Frauen, die Mentees, von einer Mentorin begleitet und erhalten dank Workshops und Anlässen Einblicke in die technische Welt.

Das Programm wächst

Das Programm sei ein Erfolg, sagt Edith Schnapper, Leiterin Nachwuchsförderung bei der SATW. «Swiss TecLadies hat sich dauerhaft als zentrale Initiative der Mädchenförderung in der Schweiz etabliert und leistet einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung des weiblichen Nachwuchses.» Die Anzahl der teilnehmenden Mädchen sei stetig gestiegen: Bei der ersten Durchführung nahmen 50 Mädchen aus der Deutschschweiz teil, in der aktuellen dritten Durchführung sind es bereits 120 Mentees aus der Deutschschweiz, der Romandie und dem Tessin.

Die 15-jährige Fabrina Zeilinger aus Mauensee LU ist eine der jungen Frauen, die das Programm absolviert haben. An diesem Wintermorgen trifft sie sich in Sursee mit ihrer damaligen Mentorin Claudia von Scala, und die beiden erzählen von ihren Erfahrungen mit Swiss TecLadies.

Workshops und Besichtigungen

Sie sei noch in der Primarschule von Lehrern auf das Programm aufmerksam gemacht worden, erzählt Fabrina. Weil ihr in der Schule viele Fächer leicht fallen, auch naturwissenschaftlich-technische wie Mathematik, bewarb sie sich – und wurde aufgenommen. Im September 2020 startete das neunmonatige TecLadies-Programm, Claudia von Scala wurde ihr als Mentorin zugeteilt. Von Scala ist promovierte Chemie-Ingenieurin und arbeitet als «Technology  Manager Sustainable Solutions» bei Sulzer Chemtech in Winterthur.

Der Austausch zwischen den beiden fand oft via Face Time statt. «Ich wollte am Anfang zum Beispiel wissen, welche Interessen Fabrina hat, oder welches ihre Berufswünsche sind», erzählt die Mentorin. Später besuchten sie gemeinsam das Technorama in Winterthur. Und Fabrina nahm an mehreren Anlässen teil; insgesamt stehen über 40 Workshops und Betriebsbesichtigungen im TecLadies-Angebot.

«Leider fiel mein Programm in die Corona-Zeit», erzählt Fabrina, «deshalb fanden alle Events, zum Beispiel über Magnetismus, virtuell statt.» Gemeinsam mit anderen Mädchen erhielt Fabrina jedoch die Gelegenheit, dieses Jahr noch einmal an den Anlässen teilzunehmen, dieses Mal physisch. Das sei toll, sagt sie und strahlt. Sie habe dabei schon viele neue Kolleginnen kennengelernt. Und sie lerne viel. «Ich kann mir jetzt viel besser vorstellen, was man bei bestimmten technischen Berufen arbeitet.»

Ausgezeichnete Bewertungen

Solche positiven Rückmeldungen bekommt Edith Schnapper zuhauf. «Viele Mädchen bestätigen, dass sie sich nach dem Programm stärker und selbstsicherer fühlen, Berührungsängste gegenüber MINT und technischen Berufen abgebaut haben und sich vorstellen können, später einen technischen Beruf auszuüben», sagt sie. Auch die Eltern der Mädchen würden das Programm zu 93 Prozent als ausgezeichnet bewerten.

Einen guten Ruf hat das Programm offensichtlich auch bei Frauen, die bereits in MINT-Berufen tätig sind. Dieses Jahr begleiten knapp 120 Frauen ihre Mentees. Es sei überhaupt nicht schwierig, genügen Mentorinnen zu finden, sagt Schnapper. «Wir haben bei jeder Durchführung mehr interessierte Frauen, als wir Mentees rekrutieren können.»

Als Claudia von Scala ihre Ausbildung machte, gab es noch keine solchen Netzwerk-Programme. «Schon als ich die C-Maturität machte, war ich praktisch die einzige Frau», erzählt sie. Als sie später bei Sulzer ihre berufliche Laufbahn begann, war sie als Frau «eher ein Ausnahmefall». Und sie war bei ihrem Arbeitgeber eine der Ersten, die – wegen ihrer drei Kinder – Teilzeit arbeitete. Heute sei das normal, sagt von Scala. «Aber damals schaute man auf mich – und ich hatte das Gefühl, alles perfekt machen zu müssen.» Ihre Motivation, sich bei TecLadies zu engagieren, rührt daher, dass Frauen auch heute noch, 20 Jahre später, in technischen Berufen deutlich in der Minderheit sind. «Durch Netzwerke kann man einander bestärken – und man kann junge Frauen animieren, einen solchen Beruf zu ergreifen.»

Ein Netzwerk für Frauen

Ob Fabrina dazu animiert wurde, steht noch nicht fest. Das Programm würde sie auf jeden Fall weiterempfehlen. «Auch meine zwei Jahre jüngere Schwester überlegt, sich zu bewerben», erzählt sie. Aber welchen Beruf sie dereinst ergreifen will, weiss sie noch nicht. Sie interessiere sich eben für vieles, sagt sie und lächelt.

So oder so wird Fabrina am Ende des Programms in das Swiss-TecLadies-Netzwerk aufgenommen, das mittlerweile knapp 400 Mitglieder zählt. «Es ist eines unserer Ziele, den Kontakt zu den ehemaligen Mentees nicht zu verlieren und sie durch Networking-Events weiterhin zu aktivieren», sagt Edith Schnapper. Zudem sollen sich die Ehemaligen vernetzen können, sich gegenseitig unterstützen und Tipps austauschen.

Hinweis:
Das nächste TecLadies-Programm findet von September 2024 bis Juni 2025 statt. Es wird mindestens 150 Mädchen einen Platz bieten. Mädchen, die sich dafür interessieren, können bereits jetzt ihr Interesse bekanntgeben!
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