Virtual Reality im Spital
Das MIRACLE-Team erzielte im Jahr 2018 einen Durchbruch: Seine 3D-Software SpectoVR ist fertig entwickelt und wird seit Januar 2018 vor komplexen Operationen am Universitätsspital Basel eingesetzt. SpectoVR zeigt Patientinnen und Patienten anschaulich, warum eine anstehende Operation nötig ist, und sie ermöglicht Chirurgen die optimale Planung und Umsetzung des Eingriffs – sogar von unterschiedlichen Orten aus.
Schritt für Schritt kommen die Forschenden um die Professoren Philippe Cattin und Hans-Florian Zeilhofer am Department of Biomedical Engineering der Universität Basel ihrem Ziel, Knochen minimalinvasiv mit Hilfe von Laserlicht zu operieren, näher. Den Roboterarm, der das «Laser-Skalpell» präzise führen wird, haben sie 2017 entwickelt (siehe Report 2017). 2018 optimierten sie dessen Instrumente und entwickelten zum Beispiel einen sechs Millimeter kleinen Kraftsensor, der auf Druck und Zug reagiert. Einen weiteren Durchbruch schaffte MIRACLE mit der Navigationssoftware SpectoVR.
Durchbruch bei der 3D-Darstellung
SpectoVR ist eine Software, die medizinische Daten, wie sie bei einer Computertomographie anfallen, in dreidimensionale Bilder umsetzt. Bis jetzt können damit Gewebe, Knochen oder Blutgefässe in 3D dargestellt werden. Mit Hilfe einer Spezialbrille kann man so durch den Körper navigieren und die zu operierenden Stellen anschauen. Es ist möglich, den Arterien zu folgen, die Wirbelsäule um die eigene Achse zu drehen oder das Gewebe von allen Seiten zu betrachten. Am Universitätsspital Basel wird SpectoVR seit Januar 2018 eingesetzt. Das dreidimensionale Bild des Körperteils, der operiert werden muss, erleichtert es den Ärzten und Ärztinnen, einen komplexen Eingriff virtuell zu planen. Darüber hinaus profitieren aber auch die Patienten während der Aufklärung in der Sprechstunde von dieser Technologie, da sie nun besser nachvollziehen können, warum eine Operation notwendig ist und wie diese ablaufen wird.
Für komplexe Eingriffe
Die Chirurgen und Chirurginnen am Universitätsspital Basel können schwierige Operationen – etwa an erweiterten Hirngefässen oder Arterien (Aneurysma) oder an der Wirbelsäule – mit SpectoVR vorbereiten. Für Neurochirurg Raphael Guzman ein klarer Gewinn: «Das virtuelle Eintauchen in das menschliche Gehirn erlaubt es uns zum Beispiel, die Feinheiten der kranken Gefässe beim Aneurysma aus allen Richtungen zu betrachten und besser zu verstehen. Die Operation wird dadurch sicherer und wahrscheinlich auch kürzer.» Auch in der Spinalen Chirurgie wenden Wirbelsäulenspezialisten zunehmend SpectoVR an. Der erste mit SpectoVR geplante Eingriff war ein Fall der rheumatischen Erkrankung Morbus Bechterew, die eine komplexe Fehlstellung der Wirbelsäule hervorgerufen hatte.
Patienten anschaulich informieren
Das Universitätsspital Basel hat mehrere Räume mit der 3D-Software SpectoVR ausgestattet; dort können sich die Patienten nun vom behandelnden Arzt zeigen lassen, wo die Probleme liegen und wie sie sich im Körper auswirken. Das Angebot kommt bei den Patientinnen und Patienten gut an. «Nach einer ersten Operation an der Schulter verschwanden die Schmerzen nicht», erzählt einer der bereits behandelten Patienten. «Doch dank der 3D-Visualisierung konnten die Ärzte herausfinden, dass der Grund des Schmerzes ein eingeklemmter Nerv in der Nähe der Wirbelsäule war und dass ein zweiter Eingriff unumgänglich war. Die 3D-Bilder halfen mir, diese zweite Operation zu akzeptieren.»
Gefragte Weltneuheit
Mit dem Programm SpectoVR können sich erfahrende Chirurgen mit Spezialisten aus anderen Ländern in Echtzeit über komplizierte Operationen austauschen – selbst über Kontinente hinweg. Dazu treffen sich die Ärzte und Ärztinnen im virtuellen 3D-Raum, den SpectoVR schafft, und diskutieren gemeinsam über die beste Operationsmethode. Dieser ortsunabhängige Austausch zu konkreten Fällen, den SpectoVR erlaubt, ist eine Weltneuheit, die international nachgefragt wird.
Nützlich in der Ausbildung
Auch in der Ausbildung ist SpectoVR hilfreich, da die Software ein realistisches Bild des Körperinneren vermittelt, so dass angehende Chirurginnen und Chirurgen virtuell üben können – ähnlich wie Pilotinnen und Piloten im Flugsimulator das Fliegen üben. Bereits fand eine Sommerakademie zu SpectoVR statt. In rund sieben Jahren soll SpectoVR als Steuerungsinstrument bei minimal-invasiven Knochenoperationen mit Laser (MIRACLE) eingesetzt werden. Im Jahr 2025 sollte es den Chirurginnen und Chirurgen möglich sein, den Roboterarm mit dem Laserstrahl mit Hilfe von SpectoVR präzise im Körper zu bewegen.
Text: Brigitt Blöchlinger
Foto: Frank Brüderli