Die beiden ferngesteuerten Mini-ROV.
Gute Orientierung und Lagestabilität selbst bei stürmischem Wetter: Die beiden ferngesteuerten Mini-ROV bewährten sich bei den Tests in der Nordsee.

Sanfte Roboter in rauer See

Werden die sensiblen Ökosysteme der Tiefsee durch den Abbau von Rohstoffen gestört, hat das verheerende Auswirkungen. Forschende am Innovationszentrum für Tiefsee-Umweltüberwachung in Bremen entwickeln nun Unterwasserroboter, die die ökologisch schützenswerten Tiefseeregionen entdecken und kartieren sollen. Bereits vermögen ihre Unterwasserroboter selbst bei starker Strömung ihre Lage zu halten.

Für Smartphones, Elektroautos oder Solarpanels werden grosse Mengen wertvoller Rohstoffe wie Kupfer, Zink oder Kobalt benötigt. Doch deren Vorkommen an Land sind begrenzt, und so erwägen immer mehr Firmen und Nationen deren Abbau im Meer. Ein solcher Tiefseebergbau würde das Leben auf dem Grund der Ozeane für Jahrzehnte zerstören.

Terra incognita

Damit die ökologisch wertvollen Organismen in der Tiefsee geschützt werden können, muss zuerst herausgefunden werden, wo sie sich überhaupt befinden – die Tiefsee ist bis heute Terra incognita, unbekanntes Land. Um das zu ändern, entwickeln Forschende derzeit am Innovationszentrum für Tiefsee-Umweltüberwachung am MARUM der Universität Bremen ein spezielles Kartierungssystem. Leiter des Innovationszentrums ist der Umwelttechnologe Ralf Bachmayer, der die Werner Siemens-Stiftungsprofessur innehat.

Starkes Unterwasser-Duo

Die Tiefsee kartieren? Klingt einfach, ist aber hochkomplex. Bachmayer und sein Team gehen die Herausforderung mehrschichtig an: Zwei Tauchroboter bewegen sich im Tandem dicht über dem Meeresgrund. Der obere ferngesteuerte Tauchroboter (abgekürzt ROV: Remotely Operated Vehicle) erfasst eine grössere Fläche und liefert so einen gewissen Überblick. In diesem Ausschnitt bewegt sich weiter unten ein kleineres, autonomes Unterwasserfahrzeug (abgekürzt AUV: Autonomous Underwater Vehicle); es zeichnet hochauflösend die Details am Boden auf. Details und Übersicht vermitteln zusammen ein aussagekräftiges Gesamtbild.

Damit sich das AUV, welches die Forschenden liebevoll Manatee (auf Deutsch: Seekuh) getauft haben, auch tatsächlich autonom bewegen kann, muss es selbstständig navigieren können. Kein einfaches Unterfangen am Boden der Tiefsee, wo GPS nicht funktioniert und wo das Fahrzeug sehr leicht durch die Strömung abgedriftet werden kann. «Daher ist es ganz wichtig, dass das AUV seine Lage und Orientierung im Wasser halten kann», erklärt Bachmayer. Er und sein Team haben dafür nun ein modulares Kontrollsystem entwickelt und dieses auf einem ferngesteuerten Mini-ROV installiert und getestet.

Nordsee statt Tiefsee

Die Tests konnten wegen der Covid-19-Pandemie jedoch nicht in der Tiefsee durchgeführt werden, da viele Forschungsschiffe monatelang nicht auslaufen durften. Bachmayer und sein Team liessen sich davon nicht entmutigen: «Wir schlossen uns mit der Geologin Miriam Römer von der Universität Bremen zusammen, die eine Ausfahrt in die Nordsee geplant hatte.» Die Geologin wollte das Austreten von Methan am Boden der Nordsee untersuchen.

Die interdisziplinäre Gruppe verliess am 8. Januar 2021 den Hafen der norddeutschen Stadt Emden. An Bord ihres Forschungsschiffes «Maria S. Merian» waren auch zwei ferngesteuerte Mini-ROV. Diese absolvierten in der Nordsee insgesamt zwölf Tauchgänge – trotz des stürmischen Winterwetters und unter dem Diktat der Gezeiten. Während der rund zweistündigen Tauchgänge konnten Bachmayer und sein Team das neue Kontrollsystem auf den Mini-ROV ausführlich testen.

Lage halten und Gas einfangen

Das Kontrollsystem nutzt Sensoren, um Tiefe, Lage und Beschleunigung des ROV zu erfassen. Ein Algorithmus verrechnet diese Signale und ermittelt daraus die gegenwärtige Orientierung und Bewegungsrichtung. Diese Informationen werden zusammen mit dem angestrebten Bewegungsprofil an die Steuerung weitergegeben und dort zu Steuersignalen für die Antriebe verarbeitet. So kann das Fahrzeug automatisch seine Lage und Orientierung im Wasser beibehalten. «Unser Kontrollsystem hat sich bei den Tauchgängen in der Nordsee bewährt», so Bachmayer. «Es kann in Zukunft auf dem autonomen Manatee zur Anwendung kommen.»

Die Zusammenarbeit mit der Geologin Miriam Römer zeitigte unverhofft einen weiteren Erfolg. Bachmayers Team stellte eine Apparatur her, mit deren Hilfe der kleine Tauchroboter unter Wasser Gasproben entnehmen kann – zum Beispiel Methan-Proben, die Miriam Römer interessierten. So etwas war bisher nur mit grösseren Vehikeln gelungen; die neu entwickelte Apparatur entpuppte sich als eine veritable Erfindung. «Nach diesen Erfolgen gingen alle glücklich und mit einem Lächeln vom Schiff», erzählt Bachmayer.

Mantel für das Manatee

Zurück am Innovationszentrum für Tiefsee-Umweltüberwachung in Bremen, stellten die Forschenden für das AUV Manatee eine äussere Hülle aus Thermoplast her, welche die empfindlichen Sensoren und Steuerungselemente im Inneren des Fahrzeugs einschliesst. Wie sich das so ummantelte Manatee im Wasser verhält, haben die Forschenden bereits theoretisch berechnet. Innerhalb des nächsten Jahres wollen sie die Fähigkeiten des sanften Roboters auch in der Praxis testen, dieses Mal in einem offenen Gewässer wie dem Bodensee.

Text: Cornelia Eisenach
Fotos: Innovationszentrum für Tiefsee-Umweltüberwachung, MARUM