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Roman Bögli
Roman Bögli schreibt seine Masterarbeit am IBM Research Lab in Rüschlikon ZH zu kryptografischen Werkzeugen.

Auf Umwegen ins Kryptographie-Labor

Erst in der kaufmännischen Berufslehre erwachte Roman Böglis Interesse an der Informatik. Er sattelte um, holte die Berufsmaturität nach und absolviert nun ein Masterstudium in Computer Science. Ein Exzellenz-Stipendium der Werner Siemens-Stiftung hilft ihm dabei. 

Bis vor kurzem habe er kaum gewusst, was ein Doktorat oder ein PhD bedeuten, sagt Roman Bögli. Und auch wenn das wahrscheinlich etwas tiefgestapelt ist: Für den Werdegang des 28-jährigen, grossgewachsenen Mannes ist die Aussage bezeichnend. Bögli absolviert ein Masterstudium in Computer Science an der Ostschweizer Fachhochschule – und erhielt 2023 ein Werner-Siemens-Fellowship, das die Schweizerische Studienstiftung an herausragende Studierende vergibt. Doch während der Lebenslauf vieler Empfängerinnen und Empfänger eines solchen Exzellenz-Stipendiums schnurgerade in Richtung einer wissenschaftlichen Karriere verläuft, ist Böglis Weg kurviger verlaufen.

Aufgewachsen ist Roman Bögli in Zufikon im Kanton Aargau. Mit seinem zwei Jahre älteren Bruder habe er sich einen Computer mit Floppy Disk geteilt, vor allem der Spiele wegen, erzählt er. «Mein Bruder tüftelte schon als Kind an elektronischen Bauteilen. Ich habe mich fürs Technische kaum interessiert – vielleicht weil ich anders sein wollte als er.» Auch die Schule war nicht Böglis Priorität. Er, ein guter Schüler, entschied sich aber gegen die Bezirks- und für die Sekundarschule – und absolvierte danach eine kaufmännische Lehre in einem Industriebetrieb.

Der Informatiklehrer als Mentor

Auf seinen heutigen Bildungsweg brachte ihn die Berufsschule. «Ich merkte, dass mir die Informatik leicht fiel, es war alles sehr logisch», erzählt Bögli. In einem Zusatzkurs hatte er einen Lehrer, der nebenher eine Informatikfirma führte. Der Lehrer erkannte das Talent seines Schülers, förderte ihn – und bot ihm nach der Lehre sogar eine Stelle in seiner Firma an. Bögli sagte zu und eignete sich dort erste Programmier-Kenntnisse an. Zudem holte er die Berufsmaturität nach und begann ein Bachelorstudium in Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel. «Ohne die Möglichkeit, mit Softwareentwicklung in Berührung zu kommen, wäre mein Weg wohl schnurgerade in Richtung Buchhalter verlaufen», sagt er.

Nebenbei verdiente Bögli sich sein Geld weiterhin in der Informatik. Zuerst in der Firma seines ehemaligen Lehrers, später als Software-Ingenieur bei einem Finanzdienstleister. Für ihn sei die Arbeit neben der Ausbildung lehr- und hilfreich. «Ich würde das jedem empfehlen», sagt er. «Hat man einmal die Nase voll vom Studieren, lenkt einen die Arbeit ab. Und umgekehrt.»

Doch das Studium, insbesondere auch ein Auslandsemester im kanadischen Vancouver, zog Bögli den Ärmel rein. Er beschloss, einen Master of Science in Engineering, Fachrichtung Computer Science, an der Fachhochschule Ostschweiz in Rapperswil SG anzuhängen. Als Schwerpunkt wählte Bögli den Bereich Cybersecurity.  Besonders die Kyptographie, also die Datenverschlüsselung, packte ihn. Mit ihr beschäftigt er sich auch an seiner Masterarbeit am IBM Research Lab in Rüschlikon ZH. Hier untersucht er Implementierungsmöglichkeiten eines kryptografischen Werkzeugs, eines sogenannten Zero-Knowledge-Proofs, im Zusammenhang mit digitalen Währungen. Und dank des Werner Siemens-Fellowships kann er sich ganz auf die Masterarbeit konzentrieren, seinen Job hat er Mitte Jahr gekündigt.

Ein Zero-Knowledge-Proof ist ein Beweis, der geführt wird, ohne dem Gegenüber das «Geheimnis» zu verraten. Man könne ein Wimmelbuch als Beispiel nehmen, sagt Bögli. «Wenn man beweisen will, dass die gesuchte Figur auf der Seite zu finden ist, kann man sie dem Gegenüber einfach zeigen; doch damit vergrössert man dessen Wissen.» Wer das verhindern will, schneidet die Silhouette der gesuchten Figur in einer undurchsichtigen Leinwand aus und verschiebt das Wimmelbuch dahinter so, dass sie sichtbar wird. «Damit ist der Beweis geführt, aber die andere Partei weiss immer noch nicht, wo auf der Seite sich die Figur befindet», sagt Bögli.

Hypothekenvergabe der Zukunft?

Ein anderes Beispiel ist eine Höhle mit zwei Eingängen, deren Wege im Innern verbunden sind. Eine Tür verschliesst jedoch diesen Durchgang auf halber Strecke. Person A möchte Person B beweisen, dass sie die abgeschlossene Tür öffnen kann, ohne ihr Details zu offenbaren. B bleibt vor den Eingängen stehen und schliesst die Augen, während A die Höhle auf einer Seite betritt. B forderte A nun auf, entweder links oder rechts aus der Höhle herauszukommen. «Wenn A Glück hat, braucht er den Schlüssel nicht, weil er auf der Seite hineingegangen ist, auf der er hinauskommen soll», sagt Bögli. «Wiederholt man aber diese Beweisführung 100- oder 1000-mal und A schafft es immer auf der richtigen Seite hinaus, dann muss er den Schlüssel besitzen.»

In der Realität, sagt er, liessen sich solche kenntnisfreien Beweise dereinst beispielsweise bei der Hypothekenvergabe einsetzen. Sie könnten Kreditnehmern dabei helfen, der Bank ihre Kreditwürdigkeit zu beweisen, ohne persönliche Daten freigeben zu müssen.

Wenn Bögli von der Kryptographie und der Informatik spricht, leuchten seine Augen. Informatik sei nicht nur logisch, sondern auch kreativ, das gefalle ihm. «Man weiss, welche Daten reinkommen und was als Ergebnis rauskommen muss. Aber dazwischen gibt es viele Möglichkeiten, wie man eine Software bestmöglich schreiben kann.» Zudem sei die Informatik für jedermann zugänglich. «Wer programmieren will, findet im Internet ganz viele Anleitungen», sagt Bögli. Ihm sei es wichtig, dass man offen mit Wissen umgehe und es anderen zur Verfügung stelle.

Durchlässiges Bildungssystem

Es liegt in seinem Fall nahe, von der Offenheit der Informatik eine Analogie zum Schweizer Bildungssystem zu ziehen. Dass jemand wie er nach der Sekundarschule und der kaufmännischen Lehre ein Masterstudium machen könne, sei schlicht genial, sagt Roman Bögli. Und ein bisschen mache es ihn auch stolz, dass er ein Beispiel sei für diese Durchlässigkeit des Bildungssystems.

An der kaufmännischen Schule, die Bögli selbst vor einigen Jahren besucht hatte, schliesst sich der Kreis. Seit Längerem unterrichtet er dort nämlich das Informatikfreifach, das für seinen Lebensweg entscheidend war. Obwohl die heutigen Schülerinnen und Schüler auf ihren Geräten von frühmorgens bis spätabends Informatiksysteme benutzten, sei das grundsätzliche Wissen in dem Fach relativ gering, sagt er. Er plädiert dafür, die Informatik bereits in den Lehrplan der Primarschule zu integrieren. «Computersysteme sind mittlerweile essentiell für uns alle. Wer etwa seine Passwörter nicht richtig verwaltet, kann das eines Tages teuer bezahlen.»

Denn für die Sicherheit im digitalen Raum braucht es eben beide: Informatikerinnen, die Passwörter oder Bitcoin-Transaktionen mit cleveren Programmen und Werkzeugen sicherer machen. Und Anwender, die solche Werkzeuge gekonnt und sicher einsetzen. Auf welche Weise Roman Bögli in Zukunft zur Datensicherheit beitragen möchte, weiss er noch nicht. Aber seit er sich genauer informiert hat, was eine Dissertation bedeuten würde, ist er nicht abgeneigt, noch etwas länger in der akademischen Welt zu bleiben.