Aktuell
Ausbau auf allen Ebenen
Das 2018 errichtete Bedretto-Untergrundlabor zieht Forschungsgruppen aus der ganzen Welt an. Damit mehr Experimente durchgeführt werden können, wurde es 2022 erweitert, indem ein weiterer Stollenabschnitt für Forschungsprojekte erschlossen wurde – erneut mit der Unterstützung der Werner Siemens-Stiftung.
Die Baufirma Fretus begann im Januar 2022 mit dem Ausbau und verbesserte die Tunnelinfrastruktur bis April auf einer Stollenlänge von 2900 Metern von insgesamt rund 3100 Metern. Wegen eines anderen, langfristig geplanten Auftrags konnte sie den Ausbau erst im Herbst zu Ende führen. Den mehrmonatigen Unterbruch nutzten die Forschenden für Erkundungsbohrungen im künftigen zweiten Laborbereich.
So untersuchten sie, wie das Bohren von tiefen Löchern für die Energiespeicherung im mitteltiefen Untergrund gelingt, ohne dass spürbare Erdbeben entstehen. Die Vorarbeiten waren auch für das Bohren weiterer Bohrlöcher und das Erstellen eines geplanten Seitentunnels nötig.
Doppelt so viel Forschungskapazität
Aktuell läuft auch das Forschungsprojekt MISS, das von der Werner Siemens-Stiftung finanziert wird. Bei MISS wird untersucht, wie man den Untergrund beim Einpressen von Flüssigkeit oder Gas ruhighalten kann. Um das herauszufinden, wird das Gestein an vier Stellen in einem Bohrloch durch den Einschuss von Wasser stimuliert und die Verbindung zum zweiten Bohrloch – aus dem das erhitzte Wasser aufsteigen soll – studiert.
Anfang 2023 ist die neue Testumgebung im Bedretto-Untergrundlabor betriebsbereit. «Dann haben wir doppelt so viel Kapazität für die weitere Forschung», sagt Projektleiter Domenico Giardini. Das Interesse ist gross: Rund zwei Dutzend Forschungsprojekte laufen derzeit oder sind geplant. Auch der Europäische Forschungsrat beteiligt sich am Bedretto-Untergrundlabor – mit dem grössten finanziellen Zuschuss, der je im Fach Erdwissenschaften vergeben wurde.
In 2022 liefen drei neue EU-Projekte im Bedretto-Untergrundlabor an. Für die Betreuung dieser Kooperationen wurde ein internationaler Beirat ernannt. Dessen Mitglieder vertreten unter anderem das Deutsche Geo-Forschungs Zentrum am Helmholtz-Zentrum Potsdam, das US-amerikanische EGS Collab und in der Schweiz das Bundesamt für Energie, Bereich Geoenergie. Auch der Vorstand des Bedretto-Untergrundlabors soll bald erweitert werden.
Wärmereservoirs im Untergrund
Der Ausbau auf allen Ebenen kommt nicht von ungefähr. Geothermie wird als wichtiger Bestandteil einer klimaneutralen und diversifizierten zukünftigen Energiepolitik gehandelt. Die Schweiz zum Beispiel möchte bis ins Jahr 2050 rund 25 Prozent des landesweiten Wärmebedarfs mit Geothermie decken. Russlands Krieg in der Ukraine und der damit verbundene starke Anstieg der Energiepreise haben massgeblich dazu beigetragen, dass die meisten europäischen Länder ihre bisherige Energiepolitik, insbesondere die Abhängigkeit von russischem Gas, überdenken und rasch in eine eigenständigere Energiegewinnung investieren wollen.
Einen Beitrag dazu könnte die Energiespeicherung in mitteltiefen Wärmereservoirs liefern. Deren Machbarkeit wird derzeit von den Forschenden im Bedretto-Untergrundlabor untersucht. Die Idee: An verschiedenen Standorten sollen in 1500 Metern Tiefe Wärmereservoirs geschaffen werden. Im energiereichen Sommer wird Wasser hineingepumpt und erwärmt sich dort. Im Winter kann die Energie aus dem Wärmereservoir genutzt werden.
Diese Nutzungsart von Erdwärme hätte zwei grosse Vorteile: Erstens wäre es viel günstiger, nur in eine Tiefe von 1500 Meter zu bohren, als Reservoirs in bis zu 5000 Metern Tiefe zu erstellen, wie es für Tiefengeothermie-Kraftwerke nötig wäre. Zweitens wäre auch die Energie, die für das Pumpen des Wassers ins Gestein benötigt wird, viel günstiger – da sie im Sommer im Überfluss vorhanden ist.