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Ein CO2 Lager im Meeresboden
Die Ozeane und Meere «schlucken» mit Abstand die meisten Treibhausgase weltweit und gleichen auf diese Weise das Klima aus. Liesse sich dieses Vermögen mit technischen Mitteln noch steigern? Etwa indem man der Atmosphäre CO2 entnimmt und im Meeresboden speichert? Mit diesen Kernfragen beschäftigt sich die erste Forschungsmission der «Deutschen Allianz Meeresforschung», an der sich auch das von der Werner Siemens-Stiftung unterstützte Innovationszentrum für Tiefsee-Umweltüberwachung am MARUM in Bremen beteiligt.
«Meere und Ozeane spielen eine zentrale Rolle für globale Klimaprozesse. Sie zählen zu den bedeutendsten Ökosystemen der Erde und beeinflussen das Leben von Millionen Menschen», schreibt die Deutsche Allianz Meeresforschung (DAM) auf ihrer Website. Die DAM wurde 2019 von den norddeutschen Bundesländern Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein gegründet. Sie gehört zu den grössten marinen Forschungsallianzen weltweit.
Deutsche Allianz Meeresforschung
Die (Meeres-)Forscherinnen und -Forscher der DAM suchen nach wissenschaftsbasierten Antworten auf relevante gesellschaftliche Fragen unserer Zeit, wie den Klimawandel. Sie verbinden sich dazu interdisziplinär zu sogenannten Forschungsmissionen, deren Ziel der Schutz und die nachhaltige Nutzung der Küsten, Meere und Ozeane ist.
Die Ozeane sind gigantische Wärme- und Kohlenstoffspeicher. Zum einen wandeln Phytoplankton, Algen und Seegräser bei der Photosynthese CO2 in organische Verbindungen um; zum anderen besteht zwischen der Atmosphäre und dem Ozean ein ständiger Austausch: CO2 aus der Atmosphäre wird im Meerwasser in einem natürlichen Prozess zu 91 Prozent in Hydrogenkarbonat umgewandelt. Je kälter das Wasser, desto besser kann es CO2 aufnehmen – und umgekehrt: Je wärmer die Ozeane, desto weniger CO2 können sie aufnehmen.
Der Ozean als wichtigster Klimaregulator
Diese natürlichen Umwandlungsprozesse machen die Ozeane zum wichtigsten Klimaregulator auf der Erde. In Zeiten der Klimaerwärmung stellt sich die Frage, ob die Meere nicht noch mehr CO2 speichern könnten, als sie es natürlicherweise tun. Damit beschäftigt sich die DAM-Forschungsmission «Marine Kohlenstoffspeicher als Weg zur Dekarbonisierung» (abgekürzt: CDRmare). Werner Siemens-Stiftungsprofessor Ralf Bachmayer, der das Innovationszentrum für Tiefsee-Umweltüberwachung am MARUM im Bremen leitet, und sein Team gehören zu den rund 200 Forschenden, die bei CDRmare mitwirken.
CO2-Speicherung unter dem Meeresboden
CO2-Emissionen von Industrieanlagen könnten drastisch reduziert werden, wenn das CO2 gleich an der Quelle aufgefangen und im geologischen Untergrund gespeichert würde. Die dafür am besten geeigneten Böden in Europa sind sowohl Sandsteinformationen im tieferen Untergrund der Nordsee als auch untermeerische Basalte vor Norwegen oder um Island.
CDRmare untersucht nun verschiedene Methoden der Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre und der marinen Speicherung hinsichtlich ihres Potenzials, ihrer Risiken sowie ihrer Vor- und Nachteile. Die gewonnenen Erkenntnisse sind als Grundlage für Entscheidungen in Politik und Gesellschaft gedacht.
Nutzen und Risiken der CO2-Speicherung im Meer
Die Fragen, die es zu beantworten gilt, lauten: Inwieweit kann der Ozean eine wesentliche und nachhaltige Rolle bei der Aufnahme und Speicherung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre spielen, und welches sind die Risiken der marinen Kohlenstoffspeicherung für die Meeresumwelt, das Erdsystem und die Gesellschaft?
Weniger ist nicht genug
Hintergrund dieses technischen Ansatzes zur Bekämpfung des Klimawandels ist die Erkenntnis, dass das Ziel des Pariser Klimaabkommens – die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 °C zu bringen – nicht allein durch einen geringeren Ausstoss von CO2 erreicht werden kann. Selbst dann nicht, wenn ab sofort überhaupt kein CO2 mehr ausgestossen würde. Der Grund: Es ist bereits zu viel CO2 in der Atmosphäre. Werner Siemens-Stiftungsprofessor Ralf Bachmayer sagt deshalb: «Die globale Klimaerwärmung kann nur mit sogenannten Negativemissionen auf unter 2 Grad Celsius gedrückt werden.» Das bedeutet: Ein Teil des ausgestossenen CO2 muss aus der Luft gefiltert und im Boden gespeichert werden.
Monitoring auf dem Meeresboden
Das Innovationszentrum für Tiefsee-Umweltüberwachung am MARUM in Bremen wird sich innerhalb der DAM-Forschungsmission mit dem Monitoring der CO2-Speicherung im Meeresboden beschäftigen. Es will ein technisches Kontrollverfahren entwickeln, mit dem die Wirksamkeit der CO2-Speicherung überprüft und allfällige Lecks entdeckt werden können.
CO2-Austritt aufspüren
Dabei kann das Team um Ralf Bachmayer auf den Vorarbeiten der letzten Jahre zur Tiefsee-Umweltüberwachung aufbauen, die von der Werner Siemens-Stiftung finanziert werden. Das Monitoring-Konzept sieht vor, dass am Meeresboden ein sogenannter Lander platziert wird (Abbildung C, Mitte), eine Art Gestell mit Sensoren. Darum herum bewegt sich spiralförmig das Monitoring-Unterwassergefährt (das MiniROV) und sucht den Boden auf einen allfälligen CO2-Austritt ab. Im Februar 2022 wurden bereits erste kleinere Tests vorgenommen. Nun wird das Monitoring-Verfahren weiterentwickelt.