Aktuell

Foto der Schülerin Mina und ihrer Mentorin Stefanie Burri (Bauingenieurin) beim Programmieren eines Roboterarms.
Hochkonzentriertes und spielerisches Kennenlernen: Mina und ihre Mentorin Stefanie Burri programmieren am Welcome Day an der Hochschule Rapperswil einen Roboterarm, damit er eine bestimmte Bewegung ausführt.

Mina will Ingenieurin werden

Mehr Mut zur Technik: Mit dem Mentoring-Programm «Swiss TecLadies» will die Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften talentierte junge Frauen ermutigen, technische Berufe zu wählen. Das erste Mentoring läuft noch bis Juli 2019. 

Sie sind selten, aber engagiert: Frauen in technischen Berufen. In Gebieten wie Informatik und Ingenieurwesen sind Frauen deutlich in der Minderheit. Doch als die Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften (SATW) rief, kamen sie: 70 Frauen aus den unterschiedlichsten technischen Berufen stellen sich ehrenamtlich als Mentorinnen für das Programm «Swiss TecLadies» zur Verfügung. Ob Maschineningenieurin, Informatikerin oder Nanowissenschaftlerin: Als Mentorinnen bringen sie 13- bis 16-jährigen Mädchen – den Mentees – während eines Jahres die Welt der Technik näher. Die Mentees besuchen die Mentorinnen am Arbeitsplatz und unternehmen gemeinsame Aktivitäten mit ihnen. So erhalten sie Einblick in die Berufs- und Lebenswelt von Frauen in technischen Berufen. Ergänzt wird «Swiss TecLadies» durch Besichtigungen von Unternehmen und Persönlichkeitstrainings. Die Sensibilisierung von Lehrpersonen und Eltern gehört ebenfalls zum Programm. 

Knifflige Fragen

Das Mentoring-Programm startete im September 2018. Um daran teilnehmen zu können, mussten die potenziellen Mentees im Vorfeld ihr technisches Talent in einer Online-Challenge unter Beweis stellen. Mit zum Teil kniffligen Fragen: Was muss man tun, damit ein U-Boot aufsteigt? Warum springt ein Zug nicht aus den Schienen? Woher weiss Google, welche Schuhe ich kaufen wollte? Die Online-Challenge auf der Website https://tecladies.ch stand allen Interessierten offen. Aber nur 13- bis 16-jährige Mädchen konnten sich ab einer bestimmten Punktezahl für die Teilnahme am Mentoring-Programm qualifizieren. Angesprochen werden sollten junge Frauen, die technisch begabt und begeistert sind, aber vielleicht noch nie in Betracht gezogen haben, eine Ausbildung im Bereich MINT – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – zu wählen.

Eine Frage der Sozialisation

Doch weshalb ist der Frauenanteil in technischen Ausbildungen und Branchen so gering (siehe Grafik unten)? Für Astrid Hügli, Projektleiterin von «Swiss TecLadies», hat das nichts mit ungleich verteilten Talenten zu tun, sondern mit der unterschiedlichen Sozialisation von Mädchen und Jungen: «Väter beziehen ihre Söhne häufiger in technische Arbeiten ein als ihre Töchter, etwa beim Basteln oder Reparieren. Und in der Schule werden Mädchen zu wenig an die naturwissenschaftlichen und technischen Fächer herangeführt.» Das seien nur zwei Beispiele, sagt Hügli. Im Gegensatz zu Ländern in Mittel- und Osteuropa sowie Skandinavien seien Mädchen in Westeuropa im Bereich Technik schon immer weniger gefördert worden: «Technische Kenntnisse und entsprechend auch technische Berufe traut man eher Jungen zu, nicht Mädchen.» Dies allerdings zu Unrecht: Gemäss dem Bildungsbericht 2018 der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung schliessen Mädchen bei Lehrabschlussprüfungen besser ab als ihre männlichen Kollegen – auch in Berufen mit hohem Männeranteil. 

Selbstvertrauen stärken

Doch viele Mädchen trauen sich einen technischen Beruf nicht zu. «Deshalb braucht es eine spezifische Förderung der Mädchen», sagt Astrid Hügli. Zwar richteten sich die Nachwuchsförderungsprogramme der SATW bisher durchaus an beide Geschlechter. Doch hat eine SATW-Studie klar gezeigt, dass Mädchen sowohl in der Schule wie auch im Elternhaus eine stärkere Förderung brauchen. Mit «Swiss TecLadies» besteht jetzt erstmals ein Angebot nur für junge Frauen: Die Online-Challenge bringt Talente an den Tag, das Mentoring hilft den jungen Frauen, sich realistische Vorstellungen von technischen Berufen zu machen und ihr Selbstvertrauen zu stärken – sich einen solchen Beruf also auch zuzutrauen. «Es fehlt den jungen Frauen an Vorbildern», sagt Astrid Hügli. Die Chance, dass Mädchen per Zufall auf weibliche Vorbilder stossen, sei gering. Deshalb bringt «Swiss TecLadies» talentierte Mädchen und Frauen aus technischen Berufen gezielt zusammen. 

Vorbilder wirken

Mit dem Programm will die SATW langfristig dem Fachkräftemangel entgegenwirken, aber auch für mehr Diversität in technischen Branchen sorgen. «Geschlechtergemischte Teams sind oft innovativer, wie Studien zeigen», sagt Astrid Hügli. Die Werner Siemens-Stiftung unterstützt «Swiss TecLadies» seit Anfang 2017 für fünf Jahre. Zweimal soll das Programm in dieser Zeit durchgeführt werden – 2018/2019 in der Deutschschweiz und 2020/2021 zusätzlich auch in der Westschweiz. Erweist es sich als Erfolg, soll es auch danach alle zwei bis drei Jahre stattfinden. Zusätzlich wird «SwissTec-Ladies» vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann als Beitrag zur Fachkräfte-Initiative des Bundes finanziell unterstützt. 

Astrid Hügli ist zuversichtlich, dass sich der Frauenanteil in technischen Berufen damit erhöhen lässt. Erfreulicherweise deuten auch gewisse gesellschaftliche Entwicklungen in diese Richtung: Mädchen wachsen heute ebenso selbstverständlich mit Handy und Laptop auf wie Jungen. Auch der neue Lehrplan 21 nimmt den Fachkräftemangel im MINT-Bereich ernst und thematisiert technische Themen bereits in der Primarschule. Zudem: Stereotypen beginnen sich aufzulösen, weil auch zahlreiche neue Berufe im MINT-Bereich entstehen, die noch nicht geschlechtsspezifisch besetzt sind. Ob diese von Männern oder Frauen ergriffen werden, wird hoffentlich bald einmal egal sein. Hauptsache, mit Talent und Freude.

Text: Adrian Ritter
Fotos: Felix Wey