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Foto von Biotechnologe Yannick Devaud.
Der Biotechnologe Yannick Devaud im «UZH Life Science Incubator Lab» in Schlieren bei Zürich. Hier steht ihm die Laborinfrastruktur zur Verfügung, die er braucht, um seine medizintechnische Erfindung zur Marktreife zu bringen.

Unternehmen im Brutkasten

Medizinische Erkenntnisse aus den Hochschulen sollen den Menschen zugutekommen. Das ist das übergeordnete Ziel der von der Werner Siemens-Stiftung finanzierten MedTech-Entrepreneur-Fellowships der Universität Zürich. Seit der Gründung vor einem Jahr wurden sieben Fellows mit vielversprechenden Ideen auf dem Weg ins Unternehmertum unterstützt.

Der Weg von der Forschung in den Markt ist lang und steil, und Forscher Yannick Devaud befindet sich noch nicht einmal am offiziellen Start. «Bevor ich ein Unternehmen gründe und Investoren suche, muss ich beweisen können, dass meine Methode funktioniert», sagt er. Yannick Devaud hat ein Verfahren entwickelt, mit dessen Hilfe die Fruchtblase schwangerer Frauen nach einer Operation mit einer Art Pflaster geschützt werden kann. Wird die Fruchtblase nämlich zerstört – was bei Operationen oft der Fall ist –, kommt es zu Frühgeburten. Nicht selten überleben die Frühchen nicht. Das will Devaud ändern: «Ich will diese Babys retten.» Dafür braucht der 31-jährige Biotechnologe allerdings Geduld. Bis zu zehn Jahre kann es dauern, bis ein Start-up in der Medizintechnik ein marktreifes Produkt vorweisen kann – vor allem wegen aufwändiger Regulierungsverfahren. Wer diesen Marathon überstehen will, braucht also nicht nur einen langen Atem, sondern auch viel Geld und Unterstützung. Dort setzt das Förderprogramm MedTech-Entrepreneur-Fellowship der Universität Zürich (UZH) an, das die Werner Siemens-Stiftung seit 2018 für zehn Jahre finanziert.

Erste Tests an Schafen

Als einer der ersten beiden Fellows erhielt Yannick Devaud vor einem Jahr 150 000 Franken aus dem Förderprogramm. Zudem profitiert er von der zur Verfügung gestellten Infrastruktur, dem Coaching und dem Netzwerk. Das erlaubte ihm, sein Verfahren weiterzuentwickeln, erste Kontakte in der Branche zu knüpfen, an seinem Businessplan zu feilen und vor allem die ersten Experimente vorzubereiten. Einen wichtigen Meilenstein erreichte er im Juli 2019, als er sein Verfahren erstmals an Schafen testen konnte. «Die Resultate sind vielversprechend», so Devaud. Aber weil das «Pflaster» die Fruchtblase einer Patientin während der gesamten Schwangerschaft schützen soll, muss Devaud noch die Langzeitergebnisse abwarten.

Wettbewerbstauglich

Für sein Projekt erhielt Devaud im Frühling 2019 zusätzliche Unterstützung durch die private Förderorganisation Venture Kick. 50 000 Franken kamen zu seinem Startkapital hinzu, weitere 100 000 Franken könnten folgen. Für Professor Michael Schaepman, Prorektor Forschung an der UZH und Verantwortlicher der MedTech-Entrepreneur-Fellowships, ist das ein gutes Zeichen. «Wenn Fellows auch von anderen Förderfonds unterstützt werden, zeigt das, dass wir qualitativ hochstehende Projekte auswählen, die auch im internationalen Wettbewerb eine Chance haben.»

Gesucht: verwertbare Ideen

Die MedTechEntrepreneur-Fellowships werden zweimal im Jahr durch eine Jury mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Industrie vergeben. Seit dem Start vor einem Jahr werden sieben Projekte unterstützt. Insgesamt gingen 15 Bewerbungen für ein Fellowship ein. Die Anzahl der Bewerbungen steigt tendenziell leicht an. Doch Schaepman betont, dass vor allem die Qualität stimmen müsse. «Für uns ist entscheidend, wie viele der vorgeschlagenen Projekte verwertbare Ideen beinhalten. Diesbezüglich können wir sehr zufrieden sein.» Thematisch ist die Bandbreite der geförderten Projekte gross. Sie reicht von einer Computer-Vision-Technik, welche die künstliche Beatmung erleichtert, über einen Schnelltest zur Erkennung von Antibiotika-Resistenzen bis hin zu einer neuartigen Technologie für die Kühlung von Laborproben.

Räume und Labors

Ein Jahr nach dem Start der MedTech-Entrepreneur-Fellowships ist auch das «UZH Life Science Incubator Lab» auf dem Campus Schlieren voll in Betrieb. Es umfasst Büror.umlichkeiten sowie speziell für Biotech- und Medtech-Experimente ausgestattete Labors. Gemäss Schaepman haben sich bereits drei Fellows einquartiert. Die Jungunternehmer können die am Institut für Regenerative Medizin (IREM) angegliederten Räume nutzen – müssen aber nicht. Überhaupt entscheiden die Fellows eigenverantwortlich, wie sie ihre Projekte weiterentwickeln. Schaepman vergleicht die Unterstützung von Seiten der UZH mit dem Schweizer Wanderweg-System. «Wir stellen die gelben Schilder auf, aber laufen müssen die Fellows selbst. Genauso wie sie entscheiden, in welche Richtung es gehen soll.»

Firmengründung als Ziel

Auch Yannick Devaud, der dereinst mit einem «Pflaster» Ungeborene retten möchte, erreicht bald die nächste Wegkreuzung. Sollten die Langzeittests erfolgreich sein, rückt eine Firmengründung sehr nahe. «Es wird eine Herausforderung, die richtigen Leute für das Team zu finden», sagt er. Wenn alles klappt, könnte der offizielle Startschuss für sein Unternehmen, das KOVE heissen soll, Anfang 2020 erfolgen. Doch Devaud hat sich mittlerweile daran gewöhnt, mit Unwägbarkeiten umzugehen. «Um genug Daten zu bekommen, bin ich darauf angewiesen, dass sich die Schafe auch wirklich paaren», erzählt er und muss lachen. «Alles liegt eben nicht in meiner Hand.»

Text: Andres Eberhard
Fotos: Felix Wey