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Foto des Schiffes Seibold im Meer

Was die «Seibold» alles kann

Ende 2018 geht es los. Die «Seibold» bricht zu ihrer ersten Forschungsreise auf, zu den Kanarischen Inseln und den Kapverden. Dort wird die 6-köpfige Crew das Meer umfassend beproben, biologisch, chemisch und physikalisch.

Das Beproben geht so: Nachts segeln die beiden Kapitäne zu einem bestimmten Meeresgebiet, wo dann tagsüber die Wissenschaftler etwa zehn Stunden lang Wasser-, Phytoplankton- und Zooplankton-Proben entnehmen und analysieren. «Das ist sehr anstrengend», weiss der «Erfinder» des Schiffs, Paläoklimatologe Gerald Haug, aus eigener Erfahrung. Deshalb steuert die «Seibold» alle drei Wochen einen Hafen an, die Crew wird ausgewechselt, und das Schiff macht eine Woche Pause.

1 Segel

Die «Seibold» ist sehr schnell. In einem Jahr würde sie es schaffen, einmal rund um die Welt zu segeln – und die Forschenden könnten dabei sorgfältig Proben nehmen. Für das Tempo von 8 bis 10 Knoten sorgen die etwa 350 m2Segelfläche.

2 Hybridmotor

Als Sicherheit wird ein Hybridmotor (Diesel und elektrisch) in der «Seibold» eingebaut, falls wider Erwarten auf hoher See Windflaute aufkommt oder eine Weiterreise aus anderen Gründen wie Sturmwarnung erforderlich wird. Das Schiff führt jeweils 4000 Liter Diesel als Reserve mit. Damit käme die Crew von der Mitte des Atlantiks an Land. «Aber der Anspruch ist, das grünste Forschungsschiff der Welt zu betreiben», sagt Gerald Haug. «Doch ohne Dieselmotor darf man nicht auf See.»

3 Schiffsschraube

Die Schiffsschraube der «Seibold» ist aussergewöhnlich gross, denn sie treibt den Generator an, der elektrischen Strom erzeugt. Der Strom wird in einer 80-kWh-Lithium-Batterie gespeichert. Diese Energie reicht für zirka 10 Stunden Probenahmen. Der Generator sorgt auch für den elektrischen Vortrieb, und er stellt die Energie für das Labor mit Massenspektrometern, Analysegeräten, Kühl- und Gefrierschränken zur Verfügung.

4 Multisensor

Den Multisensor kann man ins Wasser hinunterlassen. Dort erstellt er in unterschiedlichen Tiefen bis 2500 Meter ein physikalisches Profil: Temperatur, Salzgehalt, pH-Wert, Fluoreszenz, Chlorophyll etc. So lassen sich die Schichtung, die Nährstoffzufuhr und der Austausch zwischen oberen und unteren Schichten untersuchen.

5 Massenspektrometer

Um die Sauerstoff- und Kohlenstoff-Isotope (∂18O, ∂13C) und andere Parameter zu messen, wird das Meerwasser fortlaufend mit einem Massenspektrometer gemessen. So erfährt man, wie viel Sauerstoff die Meerespflanzen bei der Photosynthese produzieren – von den Forschern «biologische Produktivität» des Ozeans genannt. Auch Metall-Isotope lassen sich mit dem Massenspektrometer messen, sie werden in den Labors am Max-Planck-Institut für Chemie, an der ETH Zürich und mit den internationalen Partnern aufwendig analysiert.

6 Staubsauger

An Bord der «Seibold» befindet sich ein grosser «Luft-Staubsauger» mit einem zehn Meter langen Rüssel am Mast. Der Rüssel wird möglichst hoch in die Luft gestreckt und saugt die Luft direkt ins Labor zur Analyse. In der Luft gibt es unter anderem Staub, der eine sehr wichtige Rolle im Klimasystem spielt: Staub kann zum Beispiel abkühlend wirken, da er die Sonneneinstrahlung reflektiert. Ausserdem enthält Staub Eisenpartikel und andere Mikronährstoffe. Diese düngen das Meerwasser und lassen die Algen wachsen, was zu einer Reduktion des CO2 führt.   

7 Netze

Mit neu konstruierten, speziell leichten Planktonnetzen können Meeresbewohner wie Foraminiferen (einzellige Tiere mit Kalkschale) «gefischt» werden, welche die wichtigsten Signalträger in der Paläoklimaforschung sind.

8 Flow Cytometer

Das Flow Cytometer zeichnet auf, welche Kleinstlebewesen wie Picoplankton (zum Beispiel Cyanobakterien) und Algen im Wasser vorkommen. Am belebtesten sind die oberen 500 Meter des Meeres, weil die Sonnenstrahlen bis dorthin gelangen. Teils lassen die Forscher ihre Sonden auch weiter hinunter, bis zu 2,5 Kilometer tief.

9 Chlorophyll

Algen bilden Chlorophyll, um Photosynthese zu betreiben. Die Menge Chlorophyll zeigt die biologische Produktivität der Algen an.

10 CO2-Speicherung

Die Menschen lassen jedes Jahr etwa 10 Gigatonnen Kohlenstoff in die Atmosphäre, der zu CO2 oxidiert wird. Der Ozean nimmt ca. 25 Prozent davon auf, wodurch er versauert, was für Meerestiere und -pflanzen ein Problem ist. Je weiter weg man vom Nordatlantik in den Pazifik fährt, desto mehr abgestorbene Biomasse findet man im tiefen Ozean vor. Der tiefe Ozean hat 60-mal mehr CO2 als die Atmosphäre. Ausserdem ist er sehr gut geschichtet. Die thermische Schichtung in den niedrigen Breiten und den polaren Regionen bildet eine Art «Deckel» und hält das CO2 in der Tiefe. Der «Deckel» des Nordpazifiks und der Südsee ist aber nur ca. 200 bis 400 Meter dünn. Wenn man die Erde und den Ozean erwärmt, verschwinden diese Deckel, die wie eine Süsswasserlinse obenauf schwimmen. Dadurch gelangt mehr CO2-reiches Wasser aus der Tiefe an die Oberfläche, wo der Ozean das gespeicherte CO2 in die Atmosphäre abgibt. Wodurch sich diese weiter erwärmt.

11 pH-Wert

Der Ozean ist basisch. Er hat heute einen pH-Wert von 8,1. Durch die Aufnahme von atmosphärischem CO2 ist der Ozean seit der industriellen Revolution vor 150 Jahren um etwa 30 Prozent saurer geworden, von pH 8,2 auf 8,1. Durch diese negative Rückkopplung nimmt er weniger CO2 auf, seine Speicherkapazität vermindert sich.

12 Kunststoff-Detektor

Plastik im Ozean hat katastrophale Auswirkungen, da er nicht abbaubar ist und zum Beispiel von Fischen und Vögeln gefressen wird, die daran verenden. Mikroplastik kann sich im Gewebe ablagern und zu Vergiftungen oder Unfruchtbarkeit führen. Letztendlich gelangt Mikroplastik in die Nahrungskette und teils auch in den menschlichen Körper.

13 Temperatur und Salzgehalt

Sensoren am Rumpf messen die Temperatur und den Salzgehalt des Meerwassers. Mit der Klimaerwärmung könnte Grönland abschmelzen und den Golfstrom mit Süsswasser verdünnen. Dadurch würde der Nordatlantik weniger salzig und das Wasser weniger schwer. Heute sinkt der Golfstrom wie ein Wasserfall in den tiefen Nordatlantik und schiebt die Zirkulation an, bis die Wasserpartikel nach 2000 Jahren im Pazifik wieder hochkommen. Das nennt man das «globale Salzförderband». Manche Wissenschaftler vermuten, dass es in einem wärmeren Ozean gestört würde.

Text: Brigitt Blöchlinger
Fotos: Margit Wild