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Was macht Klimapolitik erfolgreich?
Forschende im Projekt CERES haben 1500 Klimamassnahmen aus 41 Ländern verglichen – und untersucht, welche zu deutlichen Emissionsreduktionen führen. Ihre bahnbrechende Studie ist kürzlich im renommierten Fachmagazin «Science» erschienen.
Vorschriften, Subventionen, Steuern: Die Liste der Massnahmen zum Klimaschutz, die in den letzten Jahrzehnten eingeführt wurden, ist lang. Welche von ihnen wirklich wirksam sind, bleibt in vielen Fällen unklar. Nun haben Forschende des Projekts CERES, das die Werner Siemens-Stiftung unterstützt, 1500 Klimamassnahmen der letzten 25 Jahre aus 41 Ländern und sechs Kontinenten verglichen und auf ihre Wirksamkeit untersucht. Sie stammen aus den Sektoren Gebäude, Strom, Industrie und Verkehr.
Es sei die grösste derartige Evaluationsstudie, welche sich auf etablierte statistische Verfahren stütze, sagt Hauptautor Nicolas Koch vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin. «Wir kooperierten mit der Organisation für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit OECD und konnten so auf damals noch nicht publizierte Daten zurückgreifen», sagt er. Die Ergebnisse (*) sind kürzlich in «Science» erschienen, einer der renommiertesten wissenschaftlichen Fachzeitschriften überhaupt.
Im Fokus der Studie stehen Erfolgsfälle mit starken Emissionsreduktionen von mindestens fünf Prozent. Es stellte sich heraus, dass es in den letzten zwei Jahrzehnten nur 63 Fälle mit Emissionsreduktionen in solchem Ausmass gab. «Das ist auf den ersten Blick etwas ernüchternd und zeigt, dass Staaten Klimaschutzmassnahmen aufgrund mangelnder Evidenz oft ein Stück weit im Blindflug ausprobieren mussten», sagt Koch. «Aber die weitere Analyse der Erfolgsfälle zeigt, wie erfolgreich und mächtig gut gemachte Klimapolitik sein kann.» Im Durchschnitt senkten die erfolgreichen Politikpakete die Emissionen in ihrem Bereich nämlich um 19 Prozent. Manche, zum Beispiel ein Massnahmenmix für den Stromsektor in Grossbritannien, erreichten innert weniger Jahre eine Reduktion um 40 bis 50 Prozent.
Es braucht einen Massnahmen-Mix
Gemeinsam haben die 63 Erfolgsfälle, dass sie mehrere Massnahmen gleichzeitig einsetzen. «Es reicht nicht, zum Beispiel auf Subventionen oder auf Regulierungen allein zu setzen», sagt Koch. «Es braucht ein Zusammenspiel mit preisgestützten Instrumenten, zum Beispiel mit einer CO2- oder einer Energiesteuer.» Verbote, etwa für Kohlenkraftwerke oder Verbrennerautos, seien ein Beispiel dafür: Die Forschenden fanden keinen einzigen Fall, in dem ein solches Verbot allein zu nennenswerten Emissionsrückgängen führte. Erfolg hatten sie nur im Zusammenspiel mit Steuer- oder Preisanreizen.
Grossbritannien im Stromsektor sei ein Paradebeispiel dafür, erzählt Nicolas Koch. «Die Briten haben einerseits für Stromversorger einen CO2-Mindestpreis festgelegt, der deutlich über den damals gehandelten Preisen lag.» Die Regierung kombinierte dies andererseits mit Förderprogrammen für erneuerbare Energien und mit einem klaren Zeitplan, um aus der besonders klimaschädlichen Kohleverstromung auszusteigen.
Die USA wiederum senkten die Belastung im Verkehrssektor durch Steueranreize, Subventionen für umweltfreundliche Fahrzeuge und CO2-Effizienzstandards. Und im Gebäudesektor war Schweden mit einer Mischung aus CO2-Bepreisung und Förderprogrammen für Sanierungen und Heizungsersatz erfolgreich. «Unsere Beispiele zeigen, dass Regierungen bereit sein müssen, in ihren Klimaschutzpaketen auch auf Preisanreize und Steuerinstrumente zu setzen», sagt Koch.
Entwicklungsländer funktionieren anders
Die Studie untersuchte aber nicht nur Massnahmen in Industrie-, sondern auch in Entwicklungs- und Schwellenländern. «Dazu gibt es erst ganz wenige Studien», sagt Koch. Die Unterschiede, welche Massnahmen wirken, sind zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zum Teil beträchtlich. Im Stromsektor etwa fanden die Forschenden, dass Preisinstrumente in Entwicklungsländern kaum Wirkung zeigen.
Er vermute, dass die Strommärkte in diesen Staaten ganz anders funktionierten als bei uns, sagt Koch. Gibt es beispielsweise nur einen einzigen staatlichen Stromanbieter und sind die Strom- und Energiepreise staatlich reguliert, könnte es sein, dass eine CO2-Bepreisung ihre Marktwirkung nicht entfalten kann. «In solchen Ländern sehen wir eher eine Wirkung bei Subventionen und Regulierungen, zum Beispiel klare Vorgaben zum Strommix», sagt Koch.
Um derart enorme Datenmengen wie in der Studie zu verarbeiten, braucht es geeignete Methoden. Die Forschenden entwickelten dafür bestehenden statistische Verfahren mittels maschinellen Lernens zur Datenauswertung weiter. Die Analyse-Infrastruktur könne auch für andere Anwendungsfälle genutzt werden und stehe der Forschungsgemeinschaft zur freien Verfügung, sagt Nicolas Koch.
Evidenzlücke schliessen
Mit der Studie, sagt Koch, hoffen die Wissenschaftler, einen Teil der Evidenzlücke zur Wirksamkeit von Klimamassnahmen zu füllen. Zwar lassen sich Massnahmen aus einem Land nicht zwingend eins zu eins auf ein anderes übertragen. Aber für ähnlich entwickelte Länder können erfolgreiche Massnahme-Pakete eine Orientierungshilfe geben. Die Forschenden haben deshalb begleitend ein interaktives Web-Dashboard entwickelt, auf dem Interessierte die 63 Erfolgsfälle genau studieren können. Es ist an Entscheiderinnen und Entscheider gerichtet, die beispielsweise in Ministerien Klimaschutzmassnahmen aufsetzen. Das Interesse scheint vorhanden: Erste Anfragen sind laut Koch bereits eingegangen.
Gleichzeitig denken die Forschenden bereits weiter: Zum einen spielen neben Bepreisungen oder Subventionen auch neue Technologien eine grosse Rolle bei der Emissionsreduktion. «Wir schauen uns deshalb als nächstes an, welche Patente und welche Technologien wie genutzt werden und wie stark sie zum Klimaschutz beitragen.»
Andererseits beschäftigt sich das Projekt CERES nicht nur mit der Klimaveränderung, sondern auch mit der Übernutzung und dem Schutz anderer globaler, öffentlicher Güter. «Ein grosses öffentliches Gut ist die Biodiversität», sagt Koch. «Aber bei der Frage, was gute Biodiversitätsschutz-Politik ist, stochern wir noch richtig im Dunkeln.» So schnell geht den Forschenden die Arbeit also nicht aus.