Aktuell

Ueli Angst und seine Mitarbeitende
Im Korrosionslabor an der ETH Zürich führen Ueli Angst (Mitte) und seine Mitarbeitenden elektrochemische Messungen durch.

Was Ueli Angst an der Korrosion im Beton fasziniert

Auf die Frage, was ihn auszeichne, antwortet Bauingenieur und ETH-Professor Ueli Angst: «Ich bin nicht ein klassischer Forscher, der sich immer in der Akademie bewegt hat.»

Ueli Angst hat nach seinem Bauingenieur-Studium mehr als fünf Jahre in der Industrie gearbeitet, unter anderem bei der Beratungsfirma Schweizerische Gesellschaft für Korrosionsschutz; inzwischen ist er deren ehrenamtlicher Präsident. Die Beratungstätigkeit verschaffte ihm einen tiefen Einblick in die realen Probleme von Betonbauten und verbindet ihn bis heute mit der Praxis. Gleichzeitig kennt er die wissenschaftlichen Überlegungen, wie Beton nachhaltiger hergestellt werden könnte – denn er wurde 2017 an der ETH Zürich zum Assistenzprofessor ernannt. «Diese beiden Bereiche, Praxis und Theorie, möchte ich zusammenbringen», sagt Angst. Dabei motiviert ihn die Tatsache, dass Beton ein grosser Hebel ist, um den Klimawandel zu bekämpfen und Ressourcen zu schützen. «Infrastrukturbauten sind ja im wahrsten Sinne des Wortes die Pfeiler unseres Wohlstands», ist er überzeugt. «Ohne sie könnte die Wirtschaft weder Menschen noch Güter im gleichen Ausmass transportieren. Die grossen Themen Nachhaltigkeit und Wohlstand sind in der Infrastruktur eines Staates quasi eingebettet.»

Veränderte Sicht auf den Beton

Das Wissen über den Beton habe sich in den letzten fünfzig Jahren stark verändert, erzählt Angst. Bis zirka Mitte des letzten Jahrhunderts dachte man, Stahlbeton-Bauten seien für die Ewigkeit gemacht. Dann merkte man, dass auch sie korrodieren können – dass aber hochalkalischer Beton das verhindern kann. In der Folge wurde ab den 1980er-Jahren das Ingenieurswesen auf die Alkalinität von Beton eingeschworen; die Normen und Lehrbücher wurden entsprechend angepasst. «Zu jener Zeit  war das sicher der richtige Ansatz gegen Korrosion», sagt Angst, «er bewirkte unter anderem, dass man heute deutlich dauerhafter baut als früher.» Auch für Angst stand zu Beginn seiner Beschäftigung mit Korrosion vor rund fünfzehn Jahren die Nachhaltigkeit noch nicht im Vordergrund. «Damals habe auch ich Korrosion und Klimawandel nicht miteinander in Verbindung gebracht», erzählt er. Erst mit der Zeit wurde ihm klar, dass das Dogma der Alkalinität von Beton zu einem Problem für das Klima geworden war.

Am richtigen Ort

Heute seien europäische Länder führend bei der Förderung der nachhaltigen Betonproduktion, sagt Angst. «Bisher jedoch immer mit Fokus auf den Beton selbst und nicht auf die Korrosionsprozesse.» Ueli Angst schätzt die Schweiz als sehr guten Ort für seine Forschung ein. Denn hierzulande existiert seit langem eine starke Zementindustrie, und Nachhaltigkeit ist ein Thema. Ausserdem hat Angst für seine interdisziplinäre Forschung Zugang zu hochkarätiger Infrastruktur und komplementärer Fachexpertise an der ETH Zürich und der EPFL, am Paul Scherrer Institut und an der Empa. Ueli Angst findet es wichtig, dass die Baubranche den Klimawandel berücksichtigt. «Ideen, wie man Beton nachhaltiger produzieren könnte, liegen viele vor», sagt er. «Ich möchte mit dem Aspekt der Korrosion einen komplementären, dringend notwendigen Beitrag leisten zur Herstellung von klimaschonenden und dauerhaften Bauwerken. Die Wissenschaft und die Baubranche stehen in der Verantwortung, dieses Problem jetzt anzugehen.»