Eine starke Kombination
PET-MRT-Scanner kombinieren zwei bildgebende Verfahren. Bisher ist es allerdings schwierig, die Möglichkeiten dieser Kombination auszuschöpfen. Mit der Entwicklung eines neuen, hybriden Kontrastmittels ist einem Team um André Martins vom Werner Siemens Imaging Center in Tübingen nun ein grosser Schritt dazu gelungen.
Bildgebende Methoden wie die Magnetresonanztomografie (MRT) oder Positronen-Emissionstomografie (PET) sind aus der modernen Medizin nicht mehr wegzudenken. Während MRT die Struktur und Physiologie von Muskeln, Bändern, Sehnen oder inneren Organen genauestens sichtbar macht, lassen sich mit PET einzelne Zellen – beispielsweise krankhaft veränderte – im Körper verfolgen. Eine Kombination der beiden bietet enorme Vorteile, weil sich mit einer einzigen Untersuchung zeigen lässt, wie ein Gewebe aussieht und was genau mit ihm nicht stimmt.
Die ersten solchen PET/MRT-Hybridsysteme wurden vor ungefähr 20 Jahren entwickelt. Massgeblich beteiligt war Bernd Pichler, der Direktor des Werner Siemens Imaging Centers (WSIC) in Tübingen. Bis heute können diese Systeme allerdings ihre Möglichkeiten nicht voll ausschöpfen. Um die Strukturen und Funktionen des Körpers darzustellen, verwendet man in der Bildgebung nämlich Kontrastmittel. MRT-Kontrastmittel beruhen in der Regel auf dem Schwermetall Gadolinium, für ein PET-Signal wird oft radioaktives Fluor-18 verwendet.
Molekül mit doppelten Eigenschaften
«Zwei unterschiedliche Kontrastmittel zu kombinieren ist schwierig», sagt André Martins, Gruppenleiter am WSIC und Professor für fortgeschrittene präklinische metabolische Bildgebung und Zelltechnik an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Der Grund: Für eine MRT-Untersuchung werden bis zu einer Milliarde mal mehr Kontrast-Moleküle benötigt als für PET. Ein Forschungsteam aus Tübingen und Prag hat unter Martins‘ Leitung nun eine Lösung für dieses Problem gefunden: In jahrelanger Arbeit entwickelten sie ein Mehrzweck-Kontrastmolekül, das sowohl Gadolinium als auch radioaktives Fluor-18 enthält.
Möglich macht dies ein cleveres Verfahren, das die Forschenden in einer Studie im Fachmagazin «Angewandte Chemie International Edition» (*) vorstellen. Schritt für Schritt entwickelten sie ein Gadolinium-basiertes Molekül, das nicht-radioaktive Fluor-19-Atome enthält. In einem letzten Syntheseschritt werden dann einige dieser Fluor-19-Atome mittels einer chemischen Reaktion durch radioaktive Fluor-18-Atome ersetzt.
Dieser Prozess ist rasch und präzise durchführbar. Den Forschenden gelang es, genügend von diesem Mittel herzustellen, um fünf Patienten in präklinischen Untersuchungsmodellen in weniger als 30 Minuten zu untersuchen. Das Molekül bleibt zudem im Körper stabil, was für den klinischen Einsatz wichtig ist. Es hat alle Eigenschaften von aktuellen MRT-Kontrastmitteln, aber zusätzliche Fähigkeiten durch das PET-Signal. «Mit diesem neuen Molekül eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten in der Präzisionsmedizin», sagt André Martins.
Weniger Arzt-Termine nötig
Zuerst einmal entlastet eine kombinierte PET/MRI-Untersuchung die Patientin oder den Patienten: Bildgebungsverfahren sind relativ zeitaufwändig, eine kombinierte Untersuchung kann die Dauer der Untersuchungen und die Anzahl Arzt-Terminen verringern. Vor allem aber werden mit dem neuen Molekül genauere und zum Teil ganz neue Aussagewerte möglich sein, ist Martins überzeugt.
Erste diagnostische Erfolge präsentieren die Forschenden bereits in ihrer Studie. «Wir testeten die Sicherheit des kombinierten Kontrastmittels an gesunden Mäusen», erzählt Martins. «Dabei fanden wir dank des neuen Moleküls heraus, dass zwei von sieben Mäusen Nierenprobleme aufwiesen.» Gadolinium-Kontrastmittel werden nämlich von geschädigten Nieren – entgegen allen Erwartungen – uneinheitlicher ausgeschieden als von gesunden, manchmal sogar schneller.
Wie viel Kontrastmittel sich ansammelt und wo genau das Problem liegt, ist aber allein mit MRT-Untersuchungen schwierig auszumachen. Mithilfe des PET-Signals im neu entwickelten Molekül konnten die Forschenden nun die Menge des gespeicherten Kontrastmittels genau bestimmen und kleine Entzündungen in der rechten Niere der betroffenen Tiere erkennen, die mit einer MRT-Untersuchung leicht hätten übersehen werden können.
Metastasen genauer lokalisieren
Längerfristig soll das Molekül vor allem dabei helfen, die Erkennung und Charakterisierung von Krebszellen zu verbessern. Sein Team habe bereits Untersuchungen in Tumor-Modellen begonnen, erzählt Martins. «Es sind noch vorläufige Daten, aber wir sehen, dass wir Stoffwechselvorgänge im Tumor-Mikromilieu möglicherweise viel genauer lokalisieren können als mit bisherigen Methoden.» Zudem werde es beispielsweise möglich zu bestimmen, ob ein Tumor Nekrosen aufweist, abgestorbene Zellen enthält oder metabolisch inaktiv ist. Dank einer derart verbesserten Bildgebung werden sich Operationen besser planen lassen – oder der Arzt kann sicher sein, dass er mit einer Biopsie das gewünschte Gewebe trifft.
Schliesslich, erzählt André Martins, könnte man aufbauend auf diese neue Methode weitere Kontrastmittel entwickeln, die sich für spezifische Fragestellungen eignen – zum Beispiel zur pH-Messung im Körper. Abhängig von ihrem Stadium sind nämlich manche Tumore übersäuert, besitzen also einen tieferen pH-Wert als die umliegenden Gewebe. Momentan gibt es laut Martins keine Möglichkeit, pH-Verläufe im Körper zu verfolgen.
Die Forschenden haben jedenfalls das neue PET/MRI-Hybrid-Kontrastmittelmolekül bereits patentiert. Sie suchen nun nach potenziellen Investoren, um es rasch zur klinischen Anwendbarkeit weiterzuentwickeln.