Implantation im Schwein geglückt
Nachdem die Chirurgen den künstlichen Muskel im Schweineherzen implantiert hatten, sank der diastolische Blutdruck des Schweins um gut 5 Prozent, was sich bereits deutlich positiv auf dessen Blutfluss auswirkte. Mit der Operation am Schwein konnte gezeigt werden, dass die Grundannahmen des Projekts richtig sind und dass diese Technologie ein enormes Potenzial aufweist.
Die nächsten Schritte zielen auf noch mehr Schonung des Herzens ab. Die Pumpleistung des künstlichen Muskels soll erhöht, das System optimiert und die drahtlose Aufladung durch die Haut in Angriff genommen werden. Im Jahr 2021 sind weitere Tierversuche geplant, die zusammen mit den Universitätsspitälern in Zürich und München durchgeführt werden.
Das Herz unterstützen
Der neu entwickelte, Herz-unterstützende künstliche Muskel gehört zur Kategorie der sogenannten Ventricular Assist Devices (VAD). Er wird direkt hinter der Aortenklappe «eingebaut». Beim Anlegen einer elektrischen Spannung dehnt er sich aus, ähnlich wie die natürliche Aorta. Wird die Stromversorgung abgestellt, zieht er sich wieder zusammen. Gesteuert werden die VAD von den Impulsen des Herzens.
Da die VAD im computerisierten Simulations-Modell gut und zuverlässig funktionierten, wollte sie der mehrfach ausgezeichnete Schweizer Herzchirurg Thierry Carrel im Tiermodell validieren. Thierry Carrel hat im Februar 2021 nach 25-jähriger Tätigkeit als Klinikdirektor am Inselspital und als Ordinarius an der Universität Bern an das Herzzentrum des Universitätsspitals Zürich gewechselt. Dort hat er den Auftrag erhalten, der Herzchirurgie, die turbulente Zeiten hinter sich hat, wieder zu nationalem und internationalem Ansehen zu verhelfen sowie die Forschung und die Weiterbildung junger Fachkräfte zu unterstützen und zu fördern.
Weitere Anwendungsbereiche
Die Ethik-Kommission des Kantons Bern hat grünes Licht für die geplanten Tierversuche an der tierexperimentellen Forschungseinheit am Departement for Biomedical Research der Universität Bern gegeben. Projektleiter Prof. Yves Perriard vom Zentrum für künstliche Muskeln ist zufrieden: «Wir freuen uns sehr, dass unsere VAD schon in 2021 an Schweinen getestet werden können.»
Die VAD liegen bereit, die Chirurgen können die neuen, wenig invasiven Operationstechniken, die mit den VAD möglich werden, nun ausgiebig üben. Chirurg Thierry Carrel: «Das ist ein wichtiger Schritt, der die Weiterentwicklung künstlicher Muskeln auch für andere Fachbereiche ermöglichen wird – für die Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, die Urologie und die Viszerale Chirurgie.»
So ist das Unterfangen, künstliche Muskeln herzustellen, bereits nach vier Jahren Entwicklung so weit gediehen, dass die Forschenden über den Einsatz künstlicher Muskeln nicht nur bei Herzschwäche, sondern auch zur Rekonstruktion der Mimik nach Unfällen oder als Unterstützung des Harnschliessmuskels bei Inkontinenz nachdenken können.
Die Forschenden am CAM nehmen die Weiterentwicklungen der VAD nun in Angriff. Bis die künstlichen Muskeln allerdings bei Patientinnen und Patienten eingesetzt werden können, braucht es noch etwas Geduld, betont Yves Perriard: «Bis zur Anwendung am Menschen dauert es sicherlich noch zehn Jahre.»
Links
> Forschungsprojekt Künstliche Muskeln
> Center for Artificial Muscles (CAM)
> Thierry Carrel, Herz- und Gefässchirurg
> Herzzentrum USZ
> «Transplantation vermeiden dank künstlicher Aorta», healthcare-in-europe.com, 5.2.21