
Was wirkt in der Klimapolitik?
Das Projekt CERES ist rasant gestartet. Die Forschenden haben bereits diverse Fachartikel vorbereitet oder publiziert. Eine der Studien erschien im renommierten Magazin «Science» und zeigt auf, welche Klimamassnahmen besonders gut wirken.
Das seit 2022 von der Werner Siemens-Stiftung unterstützte Projekt CERES analysiert, welche politischen Instrumente zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung von globalen Gemeingütern beitragen können. Mit welchen politischen Massnahmen lassen sich Klima, Biodiversität, Ozeane oder Böden wirksam schützen? Was hält Entscheidungsträger davon ab, sie zu ergreifen?
CERES gliedert seine Forschung in vier Arbeitspakete, die allesamt bereits nach kurzer Zeit grosse Fortschritte machen. Forschende um Nicolas Koch vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin aus dem Arbeitsbereich «Machine learning-basierte ex-post Politikevaluierung» haben im vergangenen Herbst gar eine Studie im Fachmagazin «Science» veröffentlicht, die weltweit für Aufsehen sorgte.
Sie verglichen 1500 Klimamassnahmen der letzten 25 Jahre aus 41 Ländern und sechs Kontinenten und untersuchten sie auf ihre Wirksamkeit. Sie stützten sich dank einer Kooperation auf damals noch unpublizierte Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und unterschieden Massnahmen in den Sektoren Gebäude, Strom, Industrie und Verkehr.
Wenige wirksame Massnahmen
«Wir suchten nach Erfolgsfällen, mit denen die Staaten die Emissionen in einem Bereich um mindestens fünf Prozent verringern konnten», erklärt Nicolas Koch. Es stellte sich heraus, dass es in den letzten zwei Jahrzehnten nur 63 Fälle mit Emissionsreduktionen in einem solchen Ausmass gab. Die geringe Zahl zeigt laut Koch, dass Klimaschutzmassnahmen oft ohne ausreichende wissenschaftliche Evidenz ausprobiert wurden oder ausprobiert werden mussten.
Die gute Nachricht ist, dass die Erfolgsfälle enorm grosse Wirkungen erzielen konnten. Im Durchschnitt, so zeigte die genaue Analyse, senkten die erfolgreichen Massnahmenpakete der Politik die Emissionen in ihrem Bereich nämlich um 19 Prozent. Manche, zum Beispiel ein Massnahmenmix für den Stromsektor in Grossbritannien, erreichten innert weniger Jahre eine Reduktion um 40 bis 50 Prozent.
Die Forschenden fanden interessante und wichtige Gemeinsamkeiten zwischen den 63 Erfolgsfällen: So gibt es keinen einzigen Fall, in dem ein Verbot alleine – zum Beispiel von Kohlekraftwerken oder Verbrennerautos – eine nennenswerte Wirkung erzielte. «Grössere Emissionsrückgänge fanden wir nur, wenn mehrere Massnahmen gleichzeitig eingesetzt wurden», sagt Nicolas Koch.
Für den Stromsektor in Grossbritannien legte die Regierung beispielsweise einen CO2-Mindestpreis fest und kombinierte ihn mit Förderprogrammen für erneuerbare Energien sowie einem Zeitplan, um aus der besonders klimaschädlichen Kohleverstromung auszusteigen. Die Studie zeigte zudem, abhängig vom Sektor, beträchtliche Unterschiede zwischen Industrie- und Entwicklungs- oder Schwellenländern. Im Stromsektor etwa erzeugten Preisinstrumente in Entwicklungsländern kaum Emissionsrückgänge – wahrscheinlich weil die Strommärkte in solchen Staaten ganz anders funktionieren. «In solchen Ländern fanden wir eher eine Wirkung von Subventionen und Regulierungen, zum Beispiel klare Vorgaben zum Strommix», sagt Koch.
Diverse Studien in der Pipeline
Die Untersuchung der CERES-Forschenden ist die grösste Evaluationsstudie zu Klimamassnahmen, welche sich auf etablierte statistische Verfahren stützt. Sie schliesst einen Teil der Evidenzlücke, die Staaten bisher oft im Blindflug hat operieren lassen. Nicolas Koch und sein Team haben deshalb ein interaktives Web-Dashboard entwickelt, auf dem Mitarbeitende von Klimaschutz-Ministerien oder andere Entscheider die 63 Erfolgsfälle studieren und in ihre Konzepte und Projekte einfliessen lassen können.
Die Politik und die Wirtschaft mit solch wichtigen Informationen zur nachhaltigen Bewirtschaftung von Gemeingütern zu versorgen, ist ein erklärtes Ziel von CERES. Ansatzpunkte dafür gibt es zuhauf, wie die vielen weiteren Paper zeigen, welche das Forschungsteam im vergangenen Jahr vorangetrieben oder bereits publiziert hat. So ist eine Publikation eingereicht, die untersucht, welche Auswirkungen die Mehrwertsteuerreform für Nahrungsmittel der EU hatte.
Eine andere Untersuchung versucht, die existenziellen Risiken der Erderwärmung zu quantifizieren. An einem Workshop präsentierten Forschende eine Studie, die aufzeigt, wie die Darstellung des Klimawandels die Vorstellungen und Verhaltensweisen von Menschen beeinflusst. Und eine Publikation zu den Unterschieden zwischen jungen und alten Menschen bezüglich ihrer Einstellung zum Klimawandel ist auf der Zielgeraden.