Welche Energie hat Zukunft?

Die Welt muss wegkommen von Erdöl, Gas und Kohle. Dazu braucht es neue Ideen zur Nutzung alternativer Energien. Und es braucht Strategien, um diesen gewaltigen Umbau gesellschaftlich voranzutreiben. Drei innovative Forschungsprojekte, die von der Werner Siemens-Stiftung unterstützt werden, arbeiten an diesen Herausforderungen.

Die Fakten sind hinlänglich bekannt: Auf der Erde wird es immer wärmer. Weltweit liegen die Temperaturen heute 1,2 Grad über jenen vor 150 Jahren. In Mitteleuropa ist die Erwärmung gar noch stärker. Verantwortlich dafür ist der Mensch: Er setzt Unmengen an Treibhausgasen frei – vor allem durch das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas, um Energie zu gewinnen.

Gelingt es nicht, diese Erwärmung zu stoppen, wird dies dramatische Folgen haben: Hitzewellen, Waldbrände und Stürme werden häufiger und intensiver, Eiskappen und Gletscher schmelzen, ganze Landstriche werden unbewohnbar wegen Überflutungen oder Trockenheit. Deshalb braucht es eine Energiewende: weg von den fossilen Energieträgern, hin zu erneuerbaren Energien wie Wasser- und Solarkraft, Windenergie, Erdwärme und Bioenergie. Die Zeit drängt: Im Pariser Klimaabkommen vereinbarte die Weltgemeinschaft das Ziel, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad und möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Um dies zu erreichen, müssen die Treibhausgasemissionen bis 2030 halbiert und bis 2050 auf Netto-Null gesenkt werden.

Eine solche Transformation sei unglaublich anspruchsvoll, sagt Ottmar Edenhofer, Co-Direktor und Chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und Leiter des FutureLabs CERES, das von der Werner Siemens-Stiftung seit 2022 gefördert wird. «Es bedarf eines Portfolios an erneuerbaren Energieformen, Strategien und Technologien.» Edenhofer unterteilt die Herausforderungen der Energiewende in drei grosse Schritte: Der erste ist die Dekarbonisierung des Stromsektors. Der Strom muss künftig aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen werden statt aus fossilen Trägern.

Der zweite Schritt ist die Umstellung des Transportund Wärmesektors. «Dort geht es um direkte und indirekte Formen der Elektrifizierung», sagt Edenhofer. «Direkt» bedeutet zum Beispiel der Ersatz von Ölheizungen durch strombetriebene Wärmepumpen oder von Benzin- durch Elektroautos. «Indirekt» bedeutet, weiterhin Kraftstoffe zu verwenden, diese aber nachhaltig zu produzieren – etwa «grünen» Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe. Der dritte Bereich schliesslich sind Negativ-Emissionstechnologien, also die Abscheidung und Speicherung von CO2 aus der Atmosphäre. Es werde auch in Zukunft Treibhausgasemissionen geben, die sich nicht vermeiden liessen, etwa in der Industrie oder der Landwirtschaft, sagt Edenhofer. «Diese werden wir kompensieren müssen, um die Klimaziele einzuhalten.»

Noch seien längst nicht alle für diese Transformation notwendigen Techniken vorhanden, sagt Edenhofer. «Der ab und zu geäusserten Aussage, mit ein bisschen politischem Willen gehe das schon, würde ich nicht zustimmen.» Gerade die CO2-Speichertechniken seien mitnichten in genügendem Umfang vorhanden. Auch bei den synthetischen Kraftstoffen oder bei den Speicher- und Batterietechnologien gebe es noch viel Forschungsbedarf.

Fortschritt ist kaum prognostizierbar

Zwar gebe es in allen Bereichen Techniken mit viel Potenzial, sagt Edenhofer. Aber welche sich durchsetzen könnten, sei praktisch unmöglich zu prognostizieren. Er illustriert dies mit einem Beispiel aus dem Uno-Klimarat IPCC. Edenhofer amtierte von 2008 bis 2015 als Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe III des IPCC. «Wir berechneten damals viele Szenarien, welche Energietechnologien bei den Erneuerbaren die besten sein würden», erzählt Edenhofer. Aber nur ein Szenario, von Greenpeace, rechnete mit einem extremen Photovoltaik-Ausbau. Edenhofer nahm es in den Bericht auf, denn es hatte ein Peer-Review-Verfahren durchlaufen. Viele Leute hätten sich empört, weil sie es für unrealistisch hielten, erzählt Edenhofer. «Aber wenn wir heute schauen, dann kam dieses Extremszenario als einziges in die Nähe der tatsächlichen Entwicklung. Alle anderen haben die Photovoltaik masslos unterschätzt.»

Deshalb glaube er, dass Politik und Gesellschaft nicht zu stark versuchen sollten, den technischen Fortschritt zu prognostizieren. «Wir sollten vielmehr die Rahmenbedingungen schaffen, um einen Wettbewerb für die besten Technologien zu ermöglichen.» Hier tue Europa momentan zu wenig für seinen Geschmack. Ihm schwebe eine Innovationsbehörde vor, die Prioritäten setze in der Grundlagenforschung und Auktionen veranstalte, um Technologien zum Durchbruch zu verhelfen.

Auch für Domenico Giardini, Professor für Seismologie und Geodynamik an der ETH Zürich, ist längst noch nicht klar, welche Technologien sich in Zukunft durchsetzen werden. Klar sei aber, dass wir in absehbarer Zukunft viel mehr Strom benötigen als bisher. «Noch vor einigen Jahren gab es in der Politik Stimmen, die sagten, wir könnten den zunehmenden Stromverbrauch durch Stromsparen kompensieren. Heute wissen wir, das funktioniert nicht.» Diese zusätzlichen Strommengen müssten nicht nur produziert, sondern auch verteilt und gespeichert werden.

Denn gerade die Solarenergie erzeugt viel mehr Strom im Sommer als im Winter. «Doch im Winter verbrauchen wir viel mehr Strom», sagt Giardini. «Wir brauchen also Wege, um Energie zu speichern – und um mehr Energie im Winter zu produzieren.» Hier komme die Geothermie ins Spiel. Diese Technik habe zwei Vorteile: Zum einen ist das Energiepotenzial, das in der Erde steckt, schier unerschöpflich. In fünf Kilometern Tiefe herrschen Temperaturen von 160 bis 200 Grad Celsius – egal ob Sommer oder Winter. Wer es schafft, dieses Reservoir anzuzapfen, hat einen ganzjährigen Energielieferanten gewonnen.

Zum anderen können Gesteinsschichten nicht nur Wärme abgeben, sondern auch Wärme aufnehmen und speichern. «Vor zehn Jahren hatte das noch keine Priorität, aber heute ist die Wärmespeicherung in der zukünftigen Energiestrategie ein enorm wichtiges Thema», sagt Giardini. Die Speicherkapazitäten durch Batterien oder Stauseen würden langfristig nicht genügen. «Deshalb untersuchen wir, ob wir die Erde wie eine Energiebank nutzen können: Im Sommer leiten wir Energie in die Tiefe, im Winter nehmen wir sie wieder zurück.»

Domenico Giardini leitet das BedrettoLab, eine einzigartige, unterirdische Forschungsinfrastruktur tief im Gotthardmassiv im Kanton Tessin. Mit der Unterstützung der Werner Siemens-Stiftung konnte ein ehemaliger Belüftungsstollen des Furka-Tunnels der Matterhorn Gotthard Bahn zu einem Untergrundlabor für die Tiefengeothermie umgebaut werden. Inzwischen dient das Labor nicht nur der ETH Zürich, sondern auch einer ganzen Reihe von Forschungs- und Industriepartnern aus aller Welt als ideale Plattform, um die Tiefengeothermie sicher und unter realen Bedingungen zu erproben.

Bedretto-Untergrundlabor

Die Werner Siemens-Stiftung hat den Bau von zwei Testumgebungen im weltweit einzigartigen Untergrundlabor im südlichen Gotthard-Massiv finanziert und unterstützt Forschungsprojekte zur Tiefengeothermie. Das Bedretto-Untergrundlabor (BedrettoLab) erlaubt es Forschenden der ETH Zürich, zusammen mit Partnern aus dem In- und Ausland die sichere Nutzung und Speicherung von geothermischer Energie und die Physik von Erdbeben unter realen Bedingungen
zu erforschen.

Mittel der Werner Siemens-Stiftung

12 Mio. Schweizer Franken

Projektdauer

2018–2024

Projektleitung

Prof. Dr. Domenico Giardini,

Professor für Seismologie und Geodynamik, ETH Zürich (CH)

Beben besser verstehen

Zum einen werden hier neue geothermische Technologien getestet. Zum anderen versuchen die Forschenden besser zu verstehen, wie und unter welchen Bedingungen Erdbeben entstehen. Die Erdbebensicherheit sei ein Thema, das die Geothermie ständig begleite, sagt Giardini. «Immer wenn wir unterirdisch bauen, verändern wir Spannungen in der Erdkruste – das kann sich in Erdbeben äussern.» Das BedrettoLab eignet sich hervorragend dafür, solche Veränderungen im Fels unter realen Bedingungen zu messen, befindet es sich doch bereits mehr als einen Kilometer unter der Erdoberfläche.

Für die Messungen ging das BedrettoLab-Team sogar noch tiefer: Die Forschenden bohrten mehrere Löcher bis zu 400 Meter unterhalb des Tunnellabors in die Tiefe. In diese Bohrlöcher zementierten sie Hunderte von Sensoren, die Temperatur- und Spannungsänderungen sowie Felsverformungen messen. Für ihre Experimente injizieren sie nun in ein Bohrloch Wasser – und können dank der Sensoren genau verfolgen, wie solche Stimulationen Mikrobeben auslösen. «Bisher hatten wir ein sehr unscharfes Bild davon und dachten, die Beben würden aus einer Art Wolke von kleinen Beben bestehen», sagt Giardini. «Aber mit den Daten, die wir in unmittelbarer Nähe der Mikrobeben sammeln, haben wir herausgefunden, dass es sich um grosse, 80 bis 100 Meter lange Verwerfungen handelt. Diese bewegen sich in Form von kleinen Beben – es ist ein sehr zerklüfteter Fels.» Dank dieser Erkenntnisse lasse sich nun viel besser modellieren, was passiert, wenn man Wasser in den Fels presst.

Das Wissen um solche Felsbewegungen ist auch wichtig für den neuesten Aspekt des BedrettoLabs: Gemeinsam mit dem Energieversorger des Kantons Tessin, der Azienda Elettrica Ticinese, und unterstützt vom Bundesamt für Energie, haben die Forschenden ein Projekt zur saisonalen Energiespeicherung lanciert. Die Grundidee ist es, künftig im Sommer mit nachhaltig gewonnener Energie, zum Beispiel aus der Photovoltaik, Wasser aufzuheizen und im Fels zu speichern.

«Es ist ein Demonstrationsprojekt», erklärt Giardini. «Wir werden im nächsten Sommer beginnen, bis 80 Grad warmes Wasser in den Fels einzuspeichern und die Folgen zu untersuchen.» Wichtige Fragen für ihn und sein Team sind, was bei der Wasserinjektion und -entnahme passiert. Gibt es Beben? Wenn ja, lassen sie sich mit kürzeren Speicherintervallen oder einer vorsichtigeren Einspritzung unter Kontrolle halten? Verändert das heisse Wasser längerfristig das Gestein? Im folgenden Winter wird sich dann zeigen, wie viel Energie sich aus diesem Reservoir wieder herausnehmen und zur Wärmegewinnung nützen lässt.

Das BedrettoLab-Team steht zudem – unterstützt vom europäischen ERC-Programm – vor der Herausforderung, einen neuen Seitentunnel zu bauen. Die Baustelle startete im Herbst 2023 und wird das Team die nächsten drei Jahre beschäftigen, denn es werden innerhalb verschiedener Bauabschnitte immer wieder Sprengungen durchgeführt. Und zwischendurch muss weiterhin geforscht werden. Der neue Seitentunnel verläuft parallel zu einer grossen Verwerfung. Aus ihm werden die Forschenden nun weitere Bohrlöcher hin zu dieser tektonischen Bruchstelle bohren und darin weitere Messinstrumente installieren. «Auf diese Weise erhalten wir noch mehr Kenntnisse darüber, was in der Verwerfung passiert, wenn sich der Fels zu bewegen beginnt, und wie Beben starten und stoppen», sagt Giardini.

Kohlenstoffdioxid und Wasserstoff speichern?

Das Interesse an geothermischer Energiegewinnung und an der Speicherung von Überschussenergie, Kohlenstoffdioxid und Wasserstoff tief unter der Erdoberfläche ist gross. Und heisses Wasser ist nur ein mögliches Energietransportmedium. Martin O. Saar, Werner Siemens-Stiftungs-Professor an der ETH Zürich, untersucht mit seiner Forschungsgruppe für Geothermale Energie und Geofluide weitere Ansätze. Eine seiner Ideen ist die Kombination von geothermischer Energiegewinnung mit der CO2-Speicherung. Dieses Verfahren, CO2-Plume Geothermal (CPG) genannt und von Saar miterfunden, könnte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Wird das Klimagas nämlich zweieinhalb bis fünf Kilometer unter dem Boden gelagert, erwärmt es sich auf mindestens 100 Grad Celsius. Diese Wärme will Saar mit einem Kreislauf nutzen: Das erhitzte CO2 wird an die Oberfläche gebracht, treibt dort direkt Turbinen an, wird abgekühlt – und dann wieder im unterirdischen Lager versenkt, so dass letztlich alles anfänglich injizierte CO2 permanent gespeichert wird. CO2 sei viel weniger zähflüssig als Wasser und dehne sich bei der Erwärmung viel stärker aus als dieses, sagt Saar. Das führe zu einer grösseren Wärmeproduktionsrate, die meist den Nachteil der geringeren Wärmekapazität von CO2 gegenüber Wasser mehr als ausgleiche. «Man kann deshalb damit auch Gesteinsschichten wirtschaftlich nutzen, die eine geringe Durchlässigkeit und Temperatur haben. Und es steigt praktisch von alleine im Produktionsbohrloch hoch, wenn es genügend erwärmt wurde.» Insgesamt, sagt Saar, könne CPG die Energieausbeute zur direkten Wärmenutzung und zur Stromerzeugung verdoppeln bis verdreifachen.

Der Forscher hat nach über zwölf Jahren Forschung und Entwicklung kürzlich das «CPG Konsortium» gegründet, ein gemeinschaftliches Industrie-Akademie-­Konsortium mit zurzeit zwei grossen Mineralölfirmen als zahlenden Mitgliedern. Ziel ist es, die Methode in einem gross angelegten Pilotprojekt zu untersuchen und zu kommerzialisieren.

Ein anderes Zukunftsprojekt Saars ist die Injektion und Umwandlung von Wasserstoff im Untergrund. «Die Idee ist einfach, die Umsetzung nicht», sagt der Forscher. Nachhaltig produzierter, «grüner» Wasserstoff und CO2 werden gemeinsam mit ganz bestimmten Mikroorganismen in den Untergrund gebracht. Die winzigen Lebewesen nutzen die dort vorhandene Wärme, um die beiden Moleküle in Methan umzuwandeln. Bei Bedarf wird dieses Gas an die Erdoberfläche geholt und zur Energiegewinnung genutzt. «Methan ist ein guter und recht sicherer Energiespeicher», sagt Saar. «Sein riesiger Vorteil gegenüber dem ursprünglichen Wasserstoff ist, dass es sich über die bereits bestehende Erdgas-Infrastruktur verteilen und nutzen lässt und dass dieses Methan CO2-neutral wäre.»

Auch für Martin O. Saar ist klar, dass die Energiewende nur mit einer Kombination verschiedenster Energieformen und Verfahren gelingen kann. «Es braucht Lösungen, die sich je nach Region optimal kombinieren lassen.» Ein Energiemix, sagt Saar, sei laut Studien stets kostengünstiger, als wenn man bloss auf eine oder wenige Energieformen setze. Der Grund: Um beispielsweise eine Region zu jeder Tages- und Jahreszeit mit Solar- und Windenergie zu versorgen, sind riesige Überkapazitäten nötig.

Tiefengeothermie

Die Erdwärme ist eine der grössten brachliegenden Energiereserven des Planeten. Wie man sie im grossen Stil direkt oder für die Stromerzeugung nutzen kann, erforschen Professor Martin O. Saar und sein Team an der ETH Zürich. Unter anderem hat Saar gemeinsam mit Industrierpartnern eine neue Bohrmethode entwickelt – und ein innovatives Verfahren, mit dem man das Klimagas CO2 im Boden permanent versenken und bei diesem Vorgang zur geothermischen Stromproduktion verwenden kann.

Mittel der Werner Siemens-Stiftung

10 Mio. Schweizer Franken

Projektdauer

2015–2024

Projektleitung Prof. Dr. Martin O. Saar,
Professor für Geothermie und Geofluide (GEG) an der ETH Zürich

Geothermische Reservekraftwerke?

Die Geothermie, ist Saar überzeugt, könne im Energiemix der Zukunft eine Schlüsselrolle spielen. Denn sie sei imstande, je nach Bedürfnis, Grundlast- oder Reserve-Energie zu liefern. In letztere Richtung zielt ein weiteres seiner Projekte. Unterstützt von der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung Innosuisse untersucht ein Konsortium von Forschungs- und Industriepartnern unter seiner Leitung, wie eine Methode namens «Ad­vanced Geothermal Systems» (AGS) die Energiewende in der Schweiz und weltweit unterstützen könnte.

Dabei geht es darum, Kraftwerke zu entwickeln, die ähnlich funktionieren wie heutige Wärmepumpen für Wohnhäuser: Jeweils zwei Bohrlöcher werden in fünf bis zehn Kilometern Tiefe so verbunden, dass sie, vereinfacht gesagt, eine U-förmige Schlaufe bilden. In dem Kreislauf wird Erdwärme mithilfe von CO2 als Zirkulationsflüssigkeit aus dem Gestein herausgeholt. Die Wärme wird entweder direkt genutzt oder in einem Kraftwerk in Elektrizität umgewandelt und ins Stromnetz eingespeist. Flächendeckend eingesetzt wäre die Methode ideal geeignet, um bisher verwendete, klimaschädliche Gaskraftwerke als Reserve-Energielieferanten abzulösen. Denn dank des geschlossenen Kreislaufs liessen sie sich sehr rasch hoch- und wieder herunterfahren.

Noch aber sind solche Kraftwerke zu teuer – laut Saar vor allem wegen der hohen Bohrkosten. Das Projekt-Konsortium will deshalb eine Bohrmethode weiterentwickeln, die unter dem Fachbegriff «Plasma Pulse Geo Drilling» (PPGD) bekannt ist. Beim PPGD wird das Gestein nicht mechanisch aufgebrochen, sondern mit einer Art Elektroschock. Das innovative Verfahren benötigt nur ungefähr ein Viertel der Energie herkömmlicher Bohrverfahren. Und die Elektroden, die für die Elektropulse benötigt werden, nützen sich deutlich langsamer ab als heute benutzte Bohrköpfe.

Noch gibt es einiges zu tun, bis solch nachhaltige Kraftwerke marktreif sind. Aber Laborversuche hätten gezeigt, dass die neue Bohrmethode auch in grossen Tiefen gut funktionieren sollte, sagt Saar. «Die im Labor getesteten höheren Temperaturen, die in der Erde vorherrschen und an die man ja herankommen will, scheinen den Bohrvorgang zwar etwas zu bremsen, doch dafür sind die hohen Gesteinsdrücke in der Tiefe förderlich», sagt Saar. «Alles in allem sieht es so aus, dass das Bohren mit PPGD in der Tiefe eher einfacher wird.»

CERES ist gut gestartet

Solch vielversprechende Ideen sind wichtig. Aber klar ist auch: Die Wege in eine nachhaltige Energiezukunft werden Kosten verursachen und der Gesellschaft Veränderungen abverlangen. Neue Techniken und Lösungen müssen deshalb auch politisch und gesellschaftlich mehrheitsfähig sein. Welche das sind und welche politischen Instrumente zur nachhaltigen Bewirtschaftung von natürlichen Ressourcen beitragen können, erforschen Ottmar Edenhofer und sein Forschungsteam im FutureLab CERES. Das Projekt hat im vergangenen Jahr so richtig Fahrt aufgenommen. So fand im Juni auf Zypern eine grosse Konferenz statt, bei der das FutureLab die ganze Breite seiner Forschungsagenda der Forschungsgemeinschaft vorstellte. «Das stiess auf sehr grosses Interesse», sagt Edenhofer.

Zudem haben die Forschenden damit begonnen, die Dynamik des Ausstiegs aus der Kohleindustrie im globalen Süden zu untersuchen. Die Frage, wie sich Länder wie Brasilien, Kolumbien, Vietnam oder Südafrika von Kohlekraftwerken lösen können oder was sie daran hindert, ist von klimapolitisch enormer Tragweite. In solchen Ländern sei der Ausstieg aus der Kohle ein Kraftakt, sagt Edenhofer. Das habe ökonomische und politische Gründe. «Es geht nicht nur um die Kraftwerke selbst, sondern auch um Turbinenhersteller, Dampfzufuhrsysteme, Stromgeneratoren und Ingenieursfirmen.» Die gesamte Zuliefer- und Ausrüstungskette existiert bereits und ist auf fossile Kraftwerke gepolt.

FutureLab CERES

Das FutureLab CERES am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) analysiert, welche politischen Instrumente zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen beitragen können. Im Fokus stehen Staaten wie Brasilien, Indonesien oder Kongo, die massiv von Klimaschäden bedroht sind, über eine hohe Biodiversität verfügen – und hohe wirtschaftliche Gewinne aus fossilen oder natürlichen Ressourcen erzielen.

Mittel der Werner Siemens-Stiftung

10 Mio. Euro

Projektdauer

2022–2031

Projektleitung

Prof. Dr. Ottmar Edenhofer, Co-Direktor
und Chefökonom am Potsdam-Institut
für Klimafolgenforschung (PIK), Potsdam bei Berlin (D)

Forschende am PIK und am Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin haben beispielsweise die Rolle von öffentlichen Förderbanken beim Bau neuer Kohlekraftwerke untersucht. Sie stellten fest, dass grenzüberschreitende Kredite, vor allem aus China, Japan und Südkorea, ein wesentlicher Treiber für neue Kohlekraftwerke im globalen Süden sind. Und dass diese Kredite oft Mittel zum Zweck für Exportgeschäfte sind – zum Beispiel von Turbinenherstellern aus den Kreditgeberländern.

Auch in einem zweiten Forschungsblock hat CERES grosse Fortschritte gemacht – der Frage, wie sich wirksame von unwirksamen Energiepolitik- und Nachhaltigkeitsmassnahmen trennen lassen. Regierungen setzen oft auf ganze Bündel solcher Massnahmen: Verbote, Abgaben, Subventionen oder Dialoge. «Bislang hatten wir dazu Daten aus Europa», sagt Edenhofer, «nun haben wir in praktisch allen Ländern weltweit politische Massnahmen untersucht und mittels maschinellen Lernens ausgewertet.» Die Resultate sind noch nicht publiziert, aber im Kern, so Edenhofer, zeige sich: Bei allen Unterschieden gibt es grosse Gemeinsamkeiten in den Massnahmen, die funktionieren. Aus den Resultaten wollen die Forschenden nun Ideen und Vorschläge entwickeln – und so mithelfen, die Energiewende voranzutreiben.