Ein Forschender während der Arbeit
Mithilfe der Stop-Flow-Lithographie produzieren die Forschenden in Aachen Gel-Stäbchen, die bereits während des Vorgangs magnetisch ausgerichtet werden.

Fortschritte an vielen Fronten

Das Projekt TriggerINK am DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien in Aachen will Knorpel in beschädigten Gelenken zum Nachwachsen bringen. Dazu braucht es Neuentwicklungen in verschiedenen Forschungsbereichen. Im vergangenen Jahr hat das Team diverse Fortschritte erzielt.

Damit sich beschädigtes Knorpelgewebe regenerieren kann, setzt das Projekt TriggerINK auf eine neuartige, ausgeklügelte Strategie: Vereinfacht gesagt, wollen die Forschenden aus Aachen in einem ersten Schritt ein stützendes Gerüst aus einer gelatineartigen Substanz, der Bio-Tinte, ins beschädigte Gelenk einbringen. In einem zweiten Schritt werden mithilfe verschiedener Techniken und Materialien die Knorpelzellen dazu gebracht, entlang dieses Gerüsts Gewebe zu reparieren und die Heilung einzuleiten.

Dazu müssen eine Vielzahl Fragen geklärt und neue Techniken entwickelt werden. In vielen hat das Team im zweiten Projektjahr Fortschritte erzielt. Besonders wichtig, sagt Projektleiterin Laura De Laporte, seien jene bei der Gewebeausrichtung. Knorpel in einem Gelenk besteht nämlich aus verschiedenen Zonen, in denen die Zellen unterschiedlich ausgerichtet sind. Wer also Knorpel nachwachsen lassen will, muss in der Lage sein, das Zellwachstum in verschiedene Richtungen zu lenken.

Bei TriggerINK dienen diesem Zweck mikroskopisch kleine Gel-Stäbchen in der Bio-Tinte. Sie enthalten magnetische Nanopartikel, die sich mithilfe eines externen Magnetfeldes ausrichten lassen. Auf diese Weise können die Forschenden die Gel-Stäbchen in die gewünschte Richtung drehen – und so die Wachstumsrichtung der Knorpelzellen kontrollieren: Die Zellen spüren nämlich den Widerstand dieser Stäbchen und wachsen parallel zu deren Ausrichtung.

Die Stäbchengrösse ist entscheidend

Die Forschungsgruppe um Co-Projektleiter Matthias Wessling hat nun eine Methode entwickelt, um diese magnetischen Gel-Stäbchen in höherer Masse zu produzieren. Sie verwendet ein Verfahren namens Stop-Flow-Lithographie, bei der das Gel durch feine Schläuche fliesst und mittels UV-Licht und einer speziellen Maske nur lokal ausgehärtet wird. Die Forschenden versetzten die Gel-Stäbchen mit spindelförmigen Magnetpartikeln aus einem Mineral namens Maghemit. Es gelang ihnen, die Maghemit-Partikel schon während der Gel-Produktion magnetisch in verschiedene gewünschte Richtungen auszurichten.

Die Ausrichtung der Mikrogel-Stäbchen ist jedoch nicht der einzige Faktor, der beim Bau des Stützgerüsts zu beachten ist. Die Forschenden testeten, wie verschiedene Zusammensetzungen der Bio-Tinte die Ausrichtung verschiedener Knorpelgewebe-Zellen beeinflussen. Es zeigte sich, dass mesenchymale Stammzellen die geeignetsten Zelltypen sind für eine Knorpelregeneration. Diese Vorläuferzellen entwickelten sich in dem Stützgerüst zu sogenannten Chondrozyten, einem wichtigen Bestandteil von Knorpel. «Zudem fanden wir heraus, dass sich die mesenchymalen Stammzellen besonders gut im Stützgerüst ausrichteten, wenn unsere Mikrogel-Stäbchen eine Abmessung von 10×10×100 Mikrometer haben», erklärt Laura De Laporte.

Ist es einmal gelungen, die Knorpelzellen schichtweise in korrekter Ausrichtung zum Wachsen anzuregen, folgt jener Projektteil, der für eine rasche Genesung des Patienten sorgen soll: das sogenannte «In Vivo Gym». Im Hydrogel des Stützgerüsts stecken nämlich auch Mikropartikel, die sich mittels eines Lichtsignals von aussen verändern lassen. Je nach Signal schrumpfen die Partikel oder schwellen an, was die umliegenden Gewebezellen in Bewegung versetzt. Von solchen Bewegungen wird angenommen, dass sie den Heilungsprozess beschleunigen können.

Selbst entwickelter Druckroboter

Zum einen ist es den Forschenden im vergangenen Jahr gelungen, die Produktionsrate dieser Mikropartikel durch den Einsatz sogenannter Mikrofluidik-Chips mit bis zu 100 parallel geschalteten Kanälen um mehrere Grössenordnungen zu erhöhen. Zum anderen wiesen sie nach, dass sich das Schrumpfen und Anschwellen der Partikel mit einer Frequenz von 1 Hertz auf das Stützgerüst überträgt und dieses über weite Distanzen in Bewegung versetzt. «Diese In-Vivo-Gym-Partikel müssen mit einer bestimmten Bindungsstärke mit dem Stützgerüst verbunden sein, um die beste Wirkung zu erzielen», sagt Laura De Laporte. «Wenn die Bindung zu stark oder zu schwach ist, bleibt ihr Einfluss klein.»

Ein weiterer wichtiger Fortschritt betrifft den 4D-Druck-Roboter, den die Forschenden entwickeln, um die Bio-Tinte mitsamt ihren Ingredienzen dereinst direkt ins beschädigte Gelenk zu drucken. Der Roboterarm ist installiert und bewegt sich dank eines eigens dafür programmierten Codes bereits wie gewünscht. Zudem haben die Forschenden einen Druckkopf gebaut, der verschiedene Komponenten gleichzeitig drucken kann.

Noch gibt es viel zu tun, um das Ziel einer schonendenden und schnellen Knorpelregeneration zu erreichen. Aber die einzelnen Komponenten und Techniken, die dafür notwendig sind, nehmen in Aachen bereits Form an.