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Hochkarätige Verstärkung für die WSS
Michael Hengartner übernimmt neu den Vorsitz des Wissenschaftlichen Beirats der WSS. Der 58-jährige Molekularbiologe ist eine der wichtigsten Forschungsstimmen der Schweiz – er war Rektor der Universität Zürich und präsidiert heute den ETH-Rat, das strategische Führungsorgan des ETH-Bereichs.
Wissenschaftliche Top-Projekte findet man nicht einfach am Strassenrand. Sie aufzuspüren, auf ihre Machbarkeit abzuklopfen und allenfalls durch Tipps und kritische Rückfragen zu verbessern, ist die Aufgabe des Wissenschaftlichen Beirates der Werner Siemens-Stiftung (WSS). Dazu braucht es in dem Gremium hervorragende Wissenschaftler mit Erfahrung in der Projekt-Evaluierung und mit einem breiten Netzwerk in der Forschungslandschaft.
Das alles bringt Professor Michael Hengartner mit, der die Nachfolge von Gianni Operto als Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der WSS antritt. Operto hat das fünfköpfige Gremium in den letzten zwölf Jahren geleitet und das Amt auf Ende 2024 altershalber abgegeben, wie es die Statuten der WSS vorschreiben.
Hengartner ist Molekularbiologe – in seiner aktiven Forschungszeit arbeitete er mit dem Modellorganismus C. elegans, einem Fadenwurm, und zählte zu den weltweit führenden Wissenschaftlern auf dem Gebiet der Apoptose, des programmierten Zelltods. Von 2014 bis 2020 war er Rektor der Universität Zürich, der grössten Schweizer Universität. Seit 2020 leitet er als Präsident den ETH-Rat, das Führungs- und Aufsichtsorgan des ETH-Bereichs.
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Persönlichkeiten finden
Er habe sich über die Anfrage der WSS gefreut, sagt Hengartner. «Es ist eine sinnstiftende und gesellschaftlich hoch relevante Aufgabe – und ich traue mir zu, dass ich einen Beitrag dazu leisten kann, um den Stiftungsrat bei der Projektfindung zu unterstützen.» Die WSS, sagt Hengartner, sei eine der unüblichsten und spannendsten wissenschaftlichen Förderstiftungen im deutschsprachigen Raum, denn sie gehe mit der Unterstützung grosser, langfristiger Projekte bewusst auch hohe Risiken ein.
Gerade bei solchen Grossprojekten braucht es laut Hengartner für die Beurteilung mehr als den Blick auf ein ausgefülltes Antragsformular. «Das ist ähnlich wie bei einem Start-Up», sagt er. «Der Business- oder Forschungs-Plan ist zwar wichtig, aber der Erfolg hängt stark von persönlichen Faktoren ab – von der Projektleitung und vom Team.» Um solche Persönlichkeiten in der Wissenschaft zu identifizieren, braucht es ein entsprechendes Netzwerk und den persönlichen Austausch.
Hengartner engagiert sich bereits seit Jahren in verschiedenen Wissenschaftsstiftungen. Für ihn seien Förderstiftungen neben der Hochschul-Grundfinanzierung und kompetitiven öffentlichen Fördermitteln ein wichtiger, ergänzender Finanzierungszweig für die Forschung, sagt er. Die staatliche Finanzierung sei zumindest in der Schweiz ein Erfolgsmodell, aber die Wissenschafts-Philanthropie habe zugenommen, sagt Hengartner. «Traditionell unterstützten Stiftungen hierzulande eher Musik, Kunst oder Sport. In den letzten Jahren stelle ich aber fest, dass auch die Wissenschaft stärker gefördert wird.»
Stiftungen haben mehr Freiheiten
Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sei das sehr interessant. Denn öffentliche Geldgeber wie der Schweizer Nationalfonds müssten sich an strikte Vergaberegeln halten. «Nicht jede gute Idee passt da hinein», sagt Hengartner. «Dank der Vielfalt an Förderstiftungen haben Forschende die Chance, auch für ganz spezielle Projekte eine Finanzierung zu finden.» Stiftungen hätten mehr Freiheiten und könnten beispielsweise eine spezifische Forschungsrichtung oder ein bestimmtes Ziel bevorzugen.
Was Stiftungen bewirken können, zeigt Michael Hengartners eigene Geschichte. «Gäbe es keine Stiftungen, wäre ich heute wohl nicht in Europa», sagt er. Hengartner wurde in St. Gallen in der Schweiz geboren, doch kurz danach wanderte seine Familie aus und landete schlussendlich in Kanada – sein Vater trat in Québec eine Professur an. Michael Hengartner absolvierte dort seine Schulzeit, studierte an der Laval-Universität Biochemie und machte ein Doktorat am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge USA.
Dank Stiftungsprofessur nach Zürich
Er bekam eine Stelle und leitete eine Forschungsgruppe am Cold Spring Harbor Laboratory in New York. «Eines Tages kam jemand auf mich zu und sagte mir, an der Universität Zürich gebe es eine neue Stiftungsprofessur – das wäre doch etwas für mich als Schweizer.» Es handelte sich um die Ernst-Hadorn-Stiftungsprofessur für Molekularbiologie, die von Charles Weissmann, Professor und Mitgründer der Biotechfirma Biogen, geschaffen worden war.
Bis dahin habe er nie daran gedacht, nach Europa zurückzukehren, erzählt Hengartner. «Doch das Angebot war sehr attraktiv – und als Forscher geht man dorthin, wo man eine spannende und sichere Stelle erhält.» So wanderte er aus in sein Vaterland, machte dort Forschungskarriere – und trägt nun seinerseits dazu bei, herausragende Forschende im deutschsprachigen Raum zu fördern.