
Mit Photonen auf du und du
Professor Peter Seitz steht auf der renommierten Liste der «Photonics 100» des Jahres 2025. Es ist längst nicht die erste Auszeichnung für das langjährige Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Werner Siemens-Stiftung.
Seit drei Jahren würdigt die Fachzeitschrift «Electro Optics» jedes Jahr die 100 einflussreichsten und innovativsten Persönlichkeiten auf dem Gebiet der Optik und Photonik. In die Liste 2025 aufgenommen haben die Jurorinnen und Juroren auch Professor Peter Seitz, langjähriges Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Werner Siemens-Stiftung (WSS).
Er habe sich natürlich gefreut, als er die Nachricht von der Auszeichnung erhalten habe, erzählt Peter Seitz. «Gleichzeitig fühlte ich mich aber etwas unwohl, weil ich das Gefühl hatte, vielleicht ein junges Talent einer Chance beraubt zu haben. Mir gibt der Preis etwas Genugtuung, aber ich bewege mich gegen das Ende meiner Karriere. Eine junge Karriere hätte von der Auszeichnung profitiert.»

«Kleiner Nobelpreis für Ingenieure»
Hinzu kommt, dass es für Seitz längst nicht die erste wissenschaftliche Auszeichnung ist. Ungefähr 20 Preise hat der Ingenieur und Physiker und emeritierte Professor der ETH Lausanne (EPFL) in seiner Karriere erhalten. Die wichtigste war der «Grand Prize of the European Commission’s Information Society Technology» im Jahr 2004, dotiert mit 200'000 Euro und damals so etwas wie ein kleiner Nobelpreis für Ingenieurprojekte.
Die damals ausgezeichnete Entwicklung sei auf Anregung eines Kollegen entstanden, erzählt Seitz. Ausgangspunkt war die LiDAR-Technik: Mithilfe von Lichtpulsen kann beispielsweise die Distanz von der Erde zum Mond auf den Zentimeter genau bestimmt werden. Ein Spiegel auf dem Mond wirft das Licht zurück – und man misst die Zeit, bis es zurückkommt. «Mein Kollege fragte mich, ob man so etwas bildgebend machen könne – so dass jedes Kamera-Pixel separat die Ankunftszeit eines zurückkommenden Lichtpulses misst», erzählt Seitz. Gesagt, getan: Mit seinem Team entwickelte Seitz eine 3D-Kamera-Technologie, die auf diesem Prinzip aufbaut.
«Diese Erfindung war der Anfang von dem, was man als Imaging LiDAR bezeichnet», sagt Seitz. Die Technik ist heute weit verbreitet. Ein Einsatzbereich sind beispielsweise Abstands-Bildsensoren in Autos. Die auf Lichtwellen basierende LiDAR-Technik sei genauer als die auf Funkwellen basierende Radartechnik, erzählt Seitz. «Aber sie ist momentan noch teurer. Deshalb wird sie erst in teureren Automobilen eingebaut.»
Rekordgenaue Messungen
An Ideen hat es Peter Seitz nie gemangelt – und er brachte sie in diverse Forschungsfelder ein. Eines dieser Forschungsfelder war die sogenannte Optische Kohärenztomografie (OCT), bei der er mit seinen Teams Genauigkeitsweltrekorde hält. OCT nutzt die Interferenz, die Überlagerung von Lichtwellen, um mittels speziellen Lichtquellen Distanzen zu messen. «Heute lassen sich damit – aus ein paar Zentimetern Entfernung – Distanzen auf einen Nanometer, also auf einen Millionstel Millimeter genau messen», sagt Seitz.
Ein von ihm mitgegründetes Start-up, die Firma Heliotis im Kanton Luzern, arbeitet mit dieser Methode. Zu den Kunden zählen grosse Uhren-, Maschinen-, Motoren-, Elektromobil- oder Halbleiterhersteller, erzählt Seitz, der bei Heliotis im Verwaltungsrat sitzt. Heliotis-Technologie misst beispielsweise, ob die Teile einer Uhr präzise gegeneinander liegen, ob ein bestimmtes Motorenteil genau die richtigen Masse aufweist oder ob alle Komponenten einer mikroelektronischen Platine perfekt positioniert sind.

10 Start-ups, 75 Patente
Seitz ist Mitbegründer von nicht weniger als zehn Start-ups. Daneben kann er rund 75 Patente vorweisen. Das sei ungewöhnlich viel für einen Forscher, sagt er. Und es sei genau das, wovon er schon als Kind geträumt habe. «Viele Kinder wollen Pilot oder Buschauffeur werden – ich wollte Daniel Düsentrieb werden.» Sein Ziel sei es schon immer gewesen, etwas verrückte, aber nützliche Erfindungen zu machen – genau wie die Walt-Disney-Comicfigur.
Sein Weg zum Daniel Düsentrieb begann an der ETH Zürich. Seitz studierte Physik und doktorierte im Bereich der biomedizinischen Technik. «Ich bin ein Ingenieur-Physiker. Ich versuche zu verstehen, was physikalisch hinter einem Phänomen steckt, um ein besserer Ingenieur zu sein», sagt er. Er halte es mit Albert Einstein, dem folgendes Zitat zugeschrieben wird: «Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie.» Das widerspiegelt sich in seiner beruflichen Laufbahn: Stets kombinierte er Grundlagenforschung, angewandte Forschung, Produktentwicklung und Unternehmertum. «Ich hatte immer mindestens drei Jobs aufs Mal.»
So arbeitete er für das Schweizer Zentrum für Elektronik und Mikrotechnik (CSEM) in verschiedenen Forschungsleiter-Funktionen und war gleichzeitig Professor, zuerst an der Universität Neuenburg, später an der EPFL. «Daneben war ich mit meinen Start-ups beschäftigt und engagierte mich als Vizepräsident bei der grössten europäischen Public-Private-Partnership Photonics 21 in Brüssel und bei der Schweizerischen Akademie für Technischen Wissenschaften SATW.» Bei letzterer fungiert er noch heute als Vizepräsident.
Nachfragen und hinterfragen
Was hat Peter Seitz geholfen, seine Erfindungen zu machen? Zum einen, sagt er, komme ihm dabei sein breiter Hintergrund zugute. «Ich bin nicht festgefahren auf eine bestimmte Technologie, sondern ein bisschen ein bunter Hund, der sich in vielen Bereichen der Physik und der Ingenieurwissenschaften herumgetrieben hat. Das zahlt sich aus, weil ich Möglichkeiten erkenne, die andere übersehen.»
Zum anderen benötige Innovation absolute Ehrlichkeit, sagt er. «Wenn man etwas nicht verstanden hat, muss man nachfragen – bis man zum Grund des Problems vorgedrungen ist.» Bei seiner Arbeit für die japanische Firma Hamamatsu Photonics habe er von Sakichi Toyoda gehört, dem Gründer von Toyota Industries, aus dem der Automobilkonzern Toyota hervorging. «Toyoda sagte, man könne jedes Problem lösen, indem man fünf Mal frage: Warum – und sich dann eine ehrliche Antwort gebe.» Dieses Nachfragen und sich selbst Hinterfragen habe es ihm erlaubt, jeweils an die Grenzen des Machbaren – über das Bisherige hinaus – zu gehen.
Optische Diagnostik
Als einer der «Photonics 100» wagt Peter Seitz natürlich auch einen Blick in die Zukunft seines Fachgebiets. Grosses Potenzial sehe er in der sogenannten Integrierten Optik, erzählt er. Heute bestünden optische Geräte, zum Beispiel ein Feldstecher, aus eher klobiger Mechanik mit Linsen, Spiegeln und Prismen. Die Integrierte Optik versucht, neuartige optische Elemente auf winzigem Raum dreidimensional unterzubringen – nach dem Vorbild von elektronischen Chips.
Die Methode könnte sich unter anderem in der medizinischen Diagnostik von unschätzbarem Wert erweisen. «Wenn man schnell, präzise und dreidimensional misst, lassen sich mit solcher Optik beispielsweise Blutuntersuchungen durch die Haut hindurch durchführen», sagt Seitz. Bereits gebe es Start-ups, die dieses Prinzip nutzten, um den Glukosegehalt im Blut von Diabetikern kontinuierlich zu messen. «Wir könnten also ein gesünderes, längeres Leben leben – dank Photonen», sagt er. Und man spürt: Peter Seitz ist fasziniert von der Macht des Lichts.