Zwei Forschende im Bedretto-Untergrundlabor
Das Bedretto-Untergrundlabor ist vollgepackt mit Pumpen, Sensoren und Leitungen, die für die zahlreichen Forschungsprojekte benötigt werden.

Neue Ideen für das Felslabor

Das Bedretto-Untergrundlabor ist bereit für die Zukunft: Neue Forschungsprojekte laufen an, weitere internationale Kooperationen sind geplant – und eine Idee sieht vor, die Messmöglich­keiten durch eine Bohrung bis zwei Kilometer unterhalb des ­Tunnels deutlich zu erweitern.

Im BedrettoLab, tief im Gotthard-massiv, sprudeln die Ideen. Die Forschenden in dem Erdbeben- und Erdwärme-Forschungslabor, das dank der Werner Siemens-Stiftung errichtet werden konnte, haben gleich mehrere Neuerungen im Köcher, wie Forschungsleiter Domenico Giardini von der ETH Zürich erzählt. «In einer solchen einmaligen Infrastruktur ergeben sich stets neue Ideen.»

Ein wichtiger Aspekt im BedrettoLab ist die Sicherheit – schliesslich finden die Forschungsarbeiten tief im Tunnel statt. «Eines unserer Ziele ist es, möglichst viele Arbeiten zu automatisieren – damit wir sie von aussen steuern können und sich dafür niemand im Tunnel aufhalten muss», sagt Giardini. Das Vorhaben ist auf Kurs. Sensoren, Pumpen und vieles mehr werden inzwischen praktisch vollständig von aussen kontrolliert und eingestellt.

Das wird sich beim Projekt BEACH auszahlen, das angelaufen ist. Dabei geht es um die Speicherung von Energie im Untergrund: Im Sommer wird Wasser mit überschüssigem Solarstrom erhitzt und ins Gestein gepresst, um damit den Fels zu erwärmen. Im Winter wird die Energie aus diesem Wärmereservoir genutzt. Um zu untersuchen, wie gut dieses Prinzip unter verschiedenen Bedingungen im kristallinen Gestein funktioniert, lassen die Forschenden unterschiedliche Wassermengen mit diversen Drücken und Temperaturen einfliessen. Diese Parameter können sie nun von aussen kontrollieren.

Ein neuer Seitentunnel

Wichtig ist die Automatisierung auch im Hinblick auf das FEAR-Projekt, welches gerade voll im Gang ist. Entlang einer grossen Verwerfung bohrt eine spezialisierte Firma momentan einen rund 130 Meter langen Seitentunnel. Er wird es erlauben, in der Verwerfung unter kontrollierten Bedingungen Erdbeben zu erzeugen und mit einem Netz von Sensoren aus nächster Nähe zu untersuchen. Die Forschenden haben bereits Zehntausende von Mikrobeben mit einer Stärke von minus fünf bis null ausgelöst und planen, weitere Beben mit einer Stärke von null bis eins zu erzeugen.

Eine ganz neue Idee betrifft die Messmöglichkeiten im Fels. «Bislang können wir nur messen, was unmittelbar um oder oberhalb der Bohrlöcher passiert», sagt Giardini. Doch um ein ganzheitliches Bild zu bekommen, wäre es auch wichtig zu wissen, was darunter passiert, also noch tiefer im Fels. «Deshalb möchten wir eine Bohrung für Messsensoren machen, die bis zwei Kilometer unter den Bedrettotunnel reicht», sagt Giardini.

Eine solche Bohrung, die vom Tunneleingang her schräg nach unten führen würde, ist ein kostspieliges Unterfangen. Die Forschenden stellen momentan die nötigen Berechnungen an, um auf die Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten zu gehen. «Wenn wir dieses Projekt verwirklichen können, werden wir in der Lage sein, Experimente in einer Tiefe von bis zu dreieinhalb Kilometern unter der Oberfläche zu überwachen und durchzuführen», sagt Giardini. «Das wurde noch nie gemacht.» Dauern würde das Vorhaben mehrere Jahre. Der Zeitpunkt, solche langfristigen Projekte anzupacken, ist günstig. Die ETH Zürich ist bereits mit der Matterhorn-Gotthard-Bahn im Gespräch, um den Weiterbetrieb des Felslabors für weitere zehn Jahre zu sichern. «Dann können wir sicherstellen, dass der Tunnel auch in den kommenden Jahren weiterhin genutzt werden kann», sagt Giardini.

Internationale Kooperationen

Das ist auch wichtig im Hinblick auf internationale Kooperationen. Das Interesse am Felslabor ist nämlich enorm, viele internationale Kooperationen bestehen bereits. Im Sommer, erzählt Giardini, sei eine zehnköpfige Delegation aus China zu Besuch gewesen. Im Westen Chinas würden hunderte von Tunnelkilometer für neue Zugverbindungen gebaut. «Dabei wird auch in grosse Verwerfungen gebohrt, die das Potenzial haben, grosse Beben auszulösen – und China möchte das nützen, um gleichzeitig Erdbebenforschung zu betreiben.»

Geplant ist schliesslich eine offizielle Zusammenarbeit zwischen der ETH Zürich und der Helmholtz-Gemeinschaft. Letztere finanziert in Deutschland mit mehreren Dutzend Millionen Euro den Bau eines Untergrund-Labors – ein bisschen nach dem Vorbild des BedrettoLabs. «Doch dieses Labor muss von Grund auf ausgebrochen werden, das dauert mindestens zehn Jahre», erzählt Giardini. Die Kooperation würde es den deutschen Forschenden ermöglichen, bestimmte Experimente schon vorgängig im BedrettoLab durchzuführen.

«Auch für uns hat eine solche Zusammenarbeit auf institutioneller Basis nur Vorteile», freut sich Giardini. «So können wir in Zukunft Tests aus dem BedrettoLab unter anderen geologischen Verhältnissen in Deutschland überprüfen. Oder wir können gemeinsam Experimente planen – das senkt unsere Kosten und es sitzen mehr kluge Köpfe an einem Tisch.»