Sie ist nicht ganz so gross wie in der industriellen Produktion, aber funktionstüchtig von A bis Z: die Bioraffinerie an der Technischen Universität München.
Sie ist nicht ganz so gross wie in der industriellen Produktion, aber funktionstüchtig von A bis Z: die Bioraffinerie an der Technischen Universität München.

Hefen und Algen

Einer der Erfolge des Teams um Thomas Brück sind Hefen, die in ihrer Wachstumsphase Kohlenhydrate so umsetzen, dass daraus nicht normaler Alkohol entsteht, sondern energiereiche Öle. Dieses Kunststück vollbringt die Hefe Trichosporon oleaginosus, die aus einem Komposthaufen in Irland isoliert wurde. Diese unkonventionelle Hefe kann verschiedenste Kohlenhydrate in Biomasse und spezielle Fette umwandeln. Ihre Fette ähneln Olivenöl, da sie bis zu 40 Prozent Ölsäure enthalten.

Die Hefe Trichosporon oleaginosus ist nicht wählerisch, woher ihre Nährstoffe stammen. Sie bedient sich auch bei Abfällen von Mais, Krabben, Weizenkleie, Holzspänen oder Stroh und holt jedes verwertbare Kohlenhydrat daraus heraus. «Dass man die Hefe auf Abfallprodukte ansetzen kann, die ohnehin anfallen, macht die Produktion nachhaltig», sagt Projektmanager Daniel Garbe. Aus den Kohlenhydraten macht die Hefe in mehreren chemischen Stoffwechselprozessen Fett, das sie als Reserve für karge Zeiten in ihrer Zelle einlagert (analog zu den menschlichen «Fettpolstern»).

Stress führt zu mehr Fett

Normalerweise besteht eine Hefezelle aus rund 20 Prozent Fett. Unter Stressbedingungen lagert sie aber viel mehr Fett ein – bis zu 80 Prozent. Das machen sich die Wissenschaftler zunutze und setzen sie extra auf «Diät», indem sie ihr während des Wachstums Stickstoff und Phosphat entziehen. Darauf reagiert die Hefe, indem sie all ihre verbleibende Energie darauf verwendet, Fette als Notvorrat einzulagern. «Unter dem Mikroskop sieht man dann fast nur noch Fette und einige Zellstrukturen», erzählt Thomas Brück. An diesem Punkt stoppen die Forschenden den Stress. So fahren sie den höchsten Ertrag ein, weil die «hungrige» Hefe noch nicht angefangen hat, das eingelagerte Fett für ihr eigenes Weiterleben aufzubrauchen.

Unterschiedliche Fettsäuren

Aus Fetten kann man chemisch alles Mögliche machen. Eine der Forschungsgruppen der Synthetischen Biotechnologie tüftelt daher an unterschiedlichen «Fettsäureprofilen». Dazu verändert sie verschiedene Parameter und beobachtet, wie die Hefe darauf reagiert. Drei Beispiele: Wenn die Forschenden die Hefe mit verschiedenen Zuckern füttern, produziert die Hefe ein anderes Fettsäureprofil. Einen vergleichbaren Effekt auf die Fettsäureprofile kann man mit Temperaturänderungen oder dem Entzug von schwefelhaltigen Substanzen aus dem Nährmedium erzielen. Je nachdem produziert die anpassungsfähige Hefe ganz unterschiedliche Fettsäuren.

Dass das möglich ist, lässt sich wie folgt erklären: Die verschiedenen Fette und Öle sind chemisch gesehen miteinander «verwandt». Sie haben alle Glyzerin als «Kern», und um diesen herum sind jeweils drei verschiedene Fettsäuren mit einer unterschiedlichen Anzahl an Kohlenstoffatomen platziert. Biologisch produzierte Fette und Öle werden daher oft als Triglycerid bezeichnet. Öle, die als Nahrungsmittel verwendet werden, weisen zusätzlich viele Doppelbindungen auf. Sie werden als mehrfach ungesättigte Fettsäuren bezeichnet und sind, da sie antioxidativ wirken, sehr gesund. Je nach Profil lässt sich aus Fettsäuren also ein anderes Öl herstellen: zum Beispiel Öle für Nahrungsmittel (Palmöl-Ersatz, Fischöl-Derivat, Omega-3-Fettsäuren für Babynahrung) oder die ölige Basis für Biokraftstoffe, Kunststoffe und Kosmetika.

Ersatz für Palmöl

Viele pflanzliche Öle werden aus Pflanzen gewonnen, die unökologisch in riesigen Monokulturen wachsen und die Natur belasten oder gar zerstören. Für Palmöl zum Beispiel wird der wertvolle Regenwald gerodet, und gefährdete Tiere wie der Orang-Utan verlieren ihren Lebensraum. Palmöl wird mittlerweile zahlreichen Nahrungsmitteln und Kosmetika beigefügt. Die Nachfrage ist trotz unökologischer Produktion gross.

«Die Fettsäure-Zusammensetzung von Palmöl lässt sich leider nicht über natürliche Wege in anderen Organismen herstellen», umschreibt Gentechniker Norbert Mehlmer aus dem Team das Problem. Deshalb muss man sich bei der Suche nach einem Ersatz für Palmöl neuer Methoden bedienen, die fremde Gene in die Hefe einschleusen. Dafür nutzt man in einem ersten Schritt das Bodenbakterium Agrobacterium tumefaciens als Türöffner für den Transfer der fremden Gene. In einem zweiten Schritt wird die Hefekultur dann mit einem Antibiotikum behandelt, so dass das Agrobacterium abstirbt. Zurück bleibt die Hefe mit den erwünschten genetischen Eigenschaften: Sie produziert nun die massgeschneiderten Fette und Öle – sicher, ganzjährig und von gleichbleibend hoher Qualität.

Die Industriepartner der Synthetischen Biotechnologie von Professor Thomas Brück sehen auch in zwei weiteren Fettsäureprofilen ein grosses Potenzial: Fischöl-Ersatz und Linolensäure, eine Omega-3-Fettsäure für Babynahrung. «In den nächsten fünf bis sieben Jahren könnten diese zwei Öle kommerziell hergestellt werden», sagt Thomas Brück.

Rohstoff Pflanzenöl

Die Synthetische Biotechnologie will auch zur Lösung von Konflikten um Rohstoffe beitragen. Der Rohstoff Pflanzenöl zum Beispiel schafft fast unlösbare Konflikte: Schon heute werden bis zu 30 Prozent der produzierten Pflanzenöle zur Gewinnung von Energie und zur Herstellung von Chemikalien genutzt. Sie stehen daher nicht für die Nahrungsmittelindustrie zur Verfügung. Aus hochwertigem Pflanzenöl werden Biodiesel, Seifen (Tenside) oder andere ölhaltige Chemikalien hergestellt, die unter anderem der Körperpflege oder als Schmierstoffe für Autos dienen. Thomas Brück ist überzeugt: «Pflanzenöle sollten für die Ernährung eingesetzt werden, nicht zur Gewinnung von Energie oder Chemikalien.»

Kunststoff aus Krabben-Abfällen

Das Team um Thomas Brück bearbeitet auch ein Projekt, in dem es um die Herstellung von nachhaltigen Kunststoffen (Polymeren) geht. Das Ausgangsmaterial stammt auch hier aus der Natur: leere Krabbenschalen aus Irland. Der irische Produzent war mehr als froh, konnte er die Abfälle den Forschern übergeben; denn Krabbenschalen dürfen nicht einfach als Müll deponiert werden, da sie Bakterien anziehen, die Giftstoffe produzieren – weshalb die korrekte Entsorgung 7500 Euro pro Tonne kostet.

Mit Partnern aus Deutschland, Tschechien, Norwegen, Österreich, Tunesien und Indonesien entwickelten die Münchner Forscher einen Prozess, um aus dem Krabben-«Abfall» hochwertigen Kunststoff herzustellen. Dafür lösten sie zuerst den zuckerhaltigen Bestandteil Chitin aus den Krabbenschalen heraus. Dann optimierten sie die Fermentation und veränderten die Lipide genetisch, bis sie so beschaffen waren, dass der Industriepartner Evonik daraus besonders hochwertige Polyamide herstellen konnte. Aus diesem Kunststoff können medizinische Produkte wie Zahn- und Knochenimplantate gefertigt werden. «Dieses Projekt war sehr erfolgreich», erzählt Thomas Brück.

Bakterien gegen Krebs

Die Projektmanager Monika Fuchs und Norbert Mehlmer befassen sich mit der Verschaltung neuer Biokatalysatoren im Stoffwechsel des Darmbakteriums Escherichia coli, um Arzneimittel wie das Tumortherapeutikum Taxol nachhaltig zu produzieren. Bisher wurde dieser klinisch bedeutungs- volle Wirkstoff gegen Tumore aus Pflanzenextrakten in mehreren chemischen Syntheseschritten hergestellt – ein Prozess, der für jedes Kilogramm des Wirkstoffs gleichzeitig 240 Kilogramm giftige Abfälle produziert. Die Methodik der Synthetischen Biotechnologie erlaubt es, eine genetisch massgeschneiderte Zellfabrik zu konstruieren, die das gewünschte Produkt ohne giftige Abfälle bilden kann. Die genetische Veränderung einzelner Biokatalysatoren in der Zellfabrik eröffnet sogar den Weg zu weiteren neuen Wirkstoffen. Diese können als Entzündungshemmer oder als biologisch abbaubares Insektizid dienen.

Algen zum Abheben

Die Doktorandenteams um die Projektmanager Farah Qoura und Daniel Garbe arbeiten seit drei Jahren intensiv daran, aus Algen Treibstoff herzustellen – als Ersatz für Kerosin. Mit Algen abheben – das klingt verlockend. In der Tat spricht für Algen als Treibstofflieferant einiges: Sie wachsen 12-mal schneller als Landpflanzen und benötigen weder Süsswasser noch Ackerflächen, um zu gedeihen. Aufgrund ihres schnellen Wachstums nutzen Algen sehr effizient das Treibhausgas CO2, um daraus Biomasse und biogene Öle zu bilden.

Bereits können erste Erfolge vermeldet werden. Die Forschenden identifizierten in Australien, Mexiko und in der Adria verschiedene Salzwasseralgen, die sich als Ölproduzenten eignen. Sie haben die Algen im Labor mit UV-Licht bestrahlt und so neue genetische Stämme isoliert, die auch in sehr salzigem Wasser wachsen und sich durch eine sehr hohe Fettausbeute auszeichnen. Das Fett dieser Algen bildet die Basis zur Herstellung alternativer Biokraftstoffe. Zwei Algen sind bisher die Ertragreichsten: Nannochloropsis sp. aus der Karibik und Dunaliella sp. aus Australien. Beide Arten gedeihen auch in stark salzhaltigem Wasser; in diesem basischen Umfeld sind sie vor terrestrischen Verunreinigungen wie Pilzen und Bakterien geschützt – ein Vorteil gegenüber Süsswasseralgen.

Text: Brigitte Blöchlinger
Fotos: Felix Wey