Jelena Skorucak und ihre Software, die heftige Ausschläge in den Hirnströmen von Kindern entdeckt

Automatisierte Hirnstrommessung

Die Mediziningenieurin Jelena Skorucak erhält ein MedTechEntrepreneur-Fellowship der Universität Zürich. Sie will eine automatisierte Plattform zur Marktreife bringen, die in den Hirnströmen von Kindern Hinweise auf epileptische Erkrankungen findet.

Bis zu einem Prozent der Bevölkerung leidet unter einer epileptischen Erkrankung. Besonders häufig betroffen sind Kinder. Bei manchen von ihnen lässt sich, aufgrund von schweren Anfällen, rasch eine Diagnose stellen. Bei anderen aber treten Anfälle oft oder praktisch ausschliesslich während des Schlafs auf. In Hirnstrommessungen, dem sogenannten Elektroenzephalogramm (EEG), äussern sich solche Anfälle als heftige Ausschläge. Im Fachjargon werden sie Spikes genannt.

Neurologinnen und Neurologen erkennen diese Spikes im EEG. «Allerdings ist es eine enorm aufwändige Arbeit, das EEG einer ganzen Nacht zu analysieren», sagt Jelena Skorucak, Mediziningenieurin und Postdoktorandin am Kinderspital der Universität Zürich. Die Forscherin hatte deshalb die Idee, die Analyse solcher Hirnstrommessungen zu automatisieren.

Sie entwickelte eine Software, die Spikes entdeckt. Zuerst validierten sie und ihre Kolleginnen und Kollegen die Plattform, indem sie deren Analysen mit jenen von erfahrenen Fachpersonen in der Neurologie verglichen. Danach führten sie eine Studie durch mit einem Datensatz von über 400 Schlaf-EEGs, die am Kinderspital Zürich in den letzten 25 Jahren gemacht worden waren.

Vielversprechende Resultate

Zusätzlich eruierte die Software auch einen Marker für die Schlafqualität. Denn man vermutet, dass die Spikes den Schlaf und die Regeneration von Synapsen, den Nervenverbindungsstellen, im Gehirn beeinträchtigen. Epilepsiepatienten leiden denn auch oft an Müdigkeit sowie Konzentrations- oder Gedächtnisstörungen. Tatsächlich zeigte sich in der im Fachblatt «Scientific Reports» erschienenen Studie zum einen, dass die Software die Spikes und die Schlafqualität zuverlässig detektierte. Und zum anderen, dass Spikes und tiefe Schlafqualität auch wirklich gehäuft bei Epileptikerinnen und Epileptikern auftraten und miteinander korrelierten. Besonders gross war die Korrelation bei Kindern, die an einer schweren Epilepsieform litten, die unter dem Namen Lennox-Gastaut-Syndrom bekannt ist.

Diese vielversprechende Auswertungsplattform möchte Jelena Skorucak nun zur Marktreife bringen. Die ersten Schritte dazu unternehmen kann sie dank eines MedTechEntrepreneur-Fellowship, das sie im Frühjahr 2023 erhalten hat. Dieses von der Werner Siemens-Stiftung finanzierte Förderprogramm der Universität Zürich beinhaltet ein Stipendium in der Höhe von 150 000 Schweizer Franken. Zudem werden die Fellows von erfahrenen Coaches auf dem hindernisreichen Weg zur Firmengründung beraten und begleitet. Sie erhalten Zugang zum «UZH Incubator Lab» und sind Teil eines Netzwerks aus aktuellen und ehemaligen Geförderten.

Aufwändiger Zulassungsprozess

Sie habe schon viel profitiert von dem Programm, erzählt Jelena Skorucak. Wichtig sei für sie beispielsweise die Unterstützung im regulatorischen Bereich. «Denn die grösste Herausforderung wird es wohl sein, alle Zertifikate für die Plattform zu erhalten.» Software fällt unter die Kategorie der Medizinprodukte – bis alle für die Zulassung erforderlichen Schritte durchlaufen sind, kann viel Zeit vergehen.

Zudem geht es auch darum, das Produkt so zu gestalten, dass es auf dem Markt seine Käufer findet. «Es muss beispielsweise einfach zu bedienen sein», sagt Skorucak. Und natürlich einen Mehrwert darstellen. Die Forscherin ist überzeugt, dies bieten zu können. Zumal ihre Analyseplattform ausbaufähig ist: Möglich wären etwa eine Anpassung an erwachsene Epilepsiepatienten oder Auswertungen nach Hirnregionen. Das könnte bei der Diagnose des Epilepsietyps mithelfen.

Und die Möglichkeiten gehen über die Epilepsie hinaus. Sie arbeite daran, die Plattform für die Untersuchung von Schlafapnoe zu erweitern, erzählt Jelena Skorucak. Zudem gebe es Hinweise, dass auch manche Patientinnen und Patienten mit Alzheimer oder ADHS epileptische Spikes während des Schlafes hätten. Es könnte also eine Plattform entstehen, die in EEG-Daten verschiedenste Schlaf-assoziierte Krankheiten aufspürt.

Um Diagnosen zu stellen und Resultate zu prüfen und zu interpretieren, werde es aber weiterhin den Menschen brauchen, sagt Skorucak. «Es ist ein halbautomatisiertes System: Unsere Idee ist es nicht, Ärztinnen und Ärzte zu ersetzen, sondern ihnen die mühsame Analysearbeit zu ersparen.»