Den Erfolg im Blut
Ob als Spitzensportler, Molekularbiologe oder Firmengründer: Kevin Yim ist rasant unterwegs. 2024 gründete er dank eines MedTechEntrepreneur-Fellowship der Universität Zürich das Start-up EVIIVE. Es entwickelt effiziente Diagnose- und Prognose-Verfahren bei Blutvergiftung und Hautkrebs.
Bevor Kevin Yim Forscher und Firmengründer in Zürich wurde, fuhr er erfolgreich Velorennen für sein Heimatland Hongkong. Mit 22 Jahren schaffte er es in die Top 20 im asiatischen Raum – und merkte, dass er nicht mehr besser werden konnte. Was nicht weiter tragisch war, denn er hatte im Lauf seines Biologiestudiums an der University of Exeter in England eine neue Leidenschaft entdeckt: die Molekularbiologie, genauer: Extrazelluläre Vesikel (EV). Das sind vereinfacht gesagt die «Wörter», mit denen Körperzellen untereinander kommunizieren. Oder wissenschaftlicher formuliert: EV sind nanometerkleine Membranpartikel, die von gesunden und krankhaft veränderten Körperzellen in hoher Zahl freigesetzt werden und ein komplexes Set an Informationen an andere Zellen übermitteln.
Yim war fasziniert. Er schrieb sowohl die Master-Arbeit zu EV als auch seine Doktorarbeit. Dazu wechselte er ans Institut für Experimentelle Immunologie der Universität Zürich (UZH). Dort entwickelte er ein neuartiges Testverfahren bei Hautkrebs und Blutvergiftung (Sepsis) auf der Basis von EV-Analysen. Sein Verfahren kommt mit nur einem Tropfen Blut aus und liefert das Resultat innerhalb von zwei Stunden – viel schneller als herkömmliche Bluttests, die ausserdem eine venöse Blutentnahme benötigen.
Resilient und zäh
Auf die Frage, was ihm bei seinem erfolgreichen und rasanten Wechsel in die Wissenschaft geholfen habe, antwortet er: «Ich bin ziemlich resilient und zäh.» Im Radsport habe er gelernt, dass die eigene Leistung nicht jedes Mal zu einem Sieg führe. «Ich erlebe wie alle Wissenschaftler immer wieder Niederlagen, doch dann stehe ich auf und mache einfach weiter.»
Eine erste grosse Hürde tauchte gleich zu Beginn seiner Doktorarbeit auf. Ursprünglich wollte er einen EV-Test für Infektionen bei Neugeborenen entwickeln, doch es liessen sich keine entsprechenden Blutproben organisieren, mit denen er hätte arbeiten können. So wechselte er ans Cancer Immunobiology Lab von UZH-Professor Richard Chahwan. Dort konnte er sein EV-basiertes Diagnoseverfahren an Zellproben von erwachsenen Hautkrebs-Patienten testen. Und schliesslich auch in einer Sepsis-Studie am Universitätsspital Zürich (USZ).
Die am USZ untersuchten Patientinnen und Patienten litten an einer Infektion, deren Ursache bei Spitaleintritt unbekannt war. Yims Diagnoseverfahren schnitt in der Sepsis-Studie sehr gut ab: «In 93 Prozent der Fälle erkannte unser Verfahren richtig, dass die untersuchte Person eine septische Lungenentzündung entwickeln würde.»
Ins wahre Leben, in die Praxis
Nach dem Doktorat drängte es Yim «ins wahre Leben», wie er mit einem Augenzwinkern sagt. Er wollte sein innovatives Verfahren der Gesellschaft zugänglich machen und bewarb sich für ein MedTechEntrepreneur-Fellowship der UZH. Dieses mit 100 000 Schweizer Franken dotierte Stipendium wird von der Werner Siemens-Stiftung finanziert und vermittelt Forschenden das Wichtigste, was es zur Gründung eines eigenen Unternehmens braucht.
Mittlerweile hat Yim sein Verfahren nicht nur zu einem Diagnose-Kit für Sepsis entwickelt, sondern auch zu einem Prognose-Verfahren, das den Erfolg der Standardtherapie bei Melanomen vorhersagt. «Bei Hautkrebs können die Ärzte mit unserem Kit vor der Behandlung herausfinden, ob ein Patient auf die Standardtherapie ansprechen wird oder nicht», erklärt Yim. Auch lässt sich damit der Therapieerfolg unkompliziert überwachen. «Bei Bedarf kann man mit unserem Verfahren jeden Tag nachschauen, ob die Therapie wirkt oder ob der Hautkrebs zurückkommt.»
Im Oktober 2024 hat Kevin Yim zusammen mit Professor Richard Chahwan und anderen das Start-up EVIIVE gegründet. Die kommenden fünfzehn Monate sind bereits finanziell abgesichert. Zeit für etwas Entspannung? «Ich entspanne eigentlich nie», sagt er lachend. Bereits beschäftigt ihn die nächste Finanzierungsrunde: EVIIVE muss noch mehr klinische Tests vorlegen, um Risikokapitalisten davon zu überzeugen, in das Start-up zu investieren.
In schätzungsweise eineinhalb Jahren sollten die Diagnose- und Prognose-Kits von EVIIVE dann reif für den Markt sein. Und den Markt stellt sich der zukünftige CEO durchaus gross vor: «Zu Beginn ein Melanom-Testzentrum in der Schweiz, dann eines in den USA und eines in Australien.»
Wichtigste Partner
Eine eigene Firma zu gründen, ist spannend und anspruchsvoll. Wer war für Yim die wichtigste Person auf diesem hindernisreichen Weg? «Meine Frau», sagt er und fügt an, dass natürlich auch Mentoren, Professoren, Business Partner und andere Arten von Support sehr wichtig und hilfreich seien. Doch weil man als Jungunternehmer ja an sehr viele Türen klopfe und meist zu hören bekomme: kein Interesse, zu früh, passt nicht, müsse man immer wieder von neuem Anlauf nehmen. «Ohne unterstützende Partnerin geht das nicht.»