Deana Mohr, Biologin und MedTechEntrepreneur-Fellow an der Universität Zürich.
Deana Mohr, Biologin und MedTechEntrepreneur-Fellow an der Universität Zürich, fühlt sich durch das Förderprogramm der Werner Siemens-Stiftung gut auf ihre neue Rolle als CEO eines eigenen Unternehmens vorbereitet.

Bereit zum Durchstarten

Mit den MedTechEntrepreneur-Fellowships unterstützt die Universität Zürich ihre Nachwuchsforschenden bei der Gründung eines Unternehmens – damit medizinische Innovationen baldmöglichst in die Praxis gelangen. Zum Beispiel eine neuartige Therapie gegen Inkontinenz. 

Deana Mohr hat einen Seitenwechsel vollzogen. Die doktorierte Biologin hat das Labor mit dem Sitzungszimmer getauscht. Und sie bereut es nicht: «Ich kann in eine neue Welt eintauchen. Mein Feuer für das Unternehmertum ist entfacht», erzählt sie. Dr. Deana Mohr ist CEO geworden. Im Oktober 2020 hat sie mit Dr. Jenny Ann Prange, Dr. Steve Kappenthuler und Professor Daniel Eberli zusammen «MUVON Therapeutics» gegründet. Das Unternehmen entwickelt eine neuartige Therapie gegen die sogenannte Belastungsinkontinenz. Bei dieser Form der Inkontinenz verliert eine Person Urin, wenn sie beispielsweise niesen oder lachen muss. Allein in der Schweiz sind schätzungsweise 400 000 Menschen davon betroffen, vor allem Frauen nach einer Geburt oder bei hormonellen Veränderungen. Schuld ist ein geschwächter Schliessmuskel der Harnblase. MUVON Therapeutics will den Betroffenen Muskelstammzellen implantieren, die sich zu Muskelfasern entwickeln und die Harnblase wieder schliessen können. Anfang 2020 hat das Forschungsteam die erste klinische Studie am Universitätsspital Zürich gestartet. Deana Mohr koordiniert das ganze Projekt. Seit neun Jahren beschäftigt sie sich bereits mit dem neuartigen Therapieansatz. In ihrer Dissertation konnte sie zeigen, dass das Verfahren im Labor und im Tierversuch funktioniert und sicher ist. Anschliessend warb die Forschungsgruppe der Universität Zürich einen EU-Grant von sechs Millionen Euro ein. «Aber uns war schnell klar: Die Technologie wird nur bis zu den Patientinnen und Patienten gelangen, wenn wir ein Unternehmen gründen und Investoren finden», sagt Mohr. Nur schon die nächste klinische Studie wird rund 15 bis 20 Millionen Franken kosten. 

Perfekte Mischung

So begann Deana Mohr, sich Wissen zur Gründung eines Unternehmens anzueignen und Kurse in Entrepreneurship zu besuchen. Kurz darauf starteten die MedTechEntrepreneur-Fellowships, welche die Universität Zürich (UZH) dank der Finanzierung durch die Werner Siemens-Stiftung 2018 ins Leben rufen konnte. Deana Mohr bewarb sich erfolgreich um eines der Fellowships. Dieses dauert 18 Monate und bietet ihr die Gelegenheit, ihre Kenntnisse im Rahmen von Kursen und im Austausch mit anderen Fellows zu vertiefen. So lernt sie etwa, Gespräche mit Investoren zu führen, Businesspläne zu erstellen und sich ein Netzwerk von unterstützenden Personen für das Projekt aufzubauen. «Faszinierend ist für mich vor allem die Bandbreite an Themen, mit denen ich mich jetzt beschäftigen kann – von der Personalsuche über die Teamführung bis hin zu regulatorischen Fragen», erzählt sie. Ausserdem darf ihr Team dank des Fellowship das «UZH Incubator Lab» nutzen. Das Labor wurde speziell für angehende Biotech- und Medtech-Spin-offs ausgestattet – ebenfalls mit Mitteln der Werner Siemens-Stiftung. Mit dem Fellowship erhalten die ausgewählten Projekte zudem eine Finanzierung von 150 000 Franken. Damit konnte das Team von Deana Mohr eine zusätzliche Person anstellen. «Finanzielle Unterstützung kombiniert mit Wissensvermittlung: Diese Mischung ist bei den MedTech-Entrepreneur-Fellowships der UZH perfekt – und selten zu finden», sagt Deana Mohr.

Frauenanteil steigt

Die MedTechEntrepreneur-Fellowships werden zweimal im Jahr durch eine Jury mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Industrie vergeben. Deana Mohr ist eine von elf Personen, die bis Sommer 2020 als MedTechEntrepreneur-Fellow ausgewählt wurden. 23 Forscherinnen und Forscher haben sich bis zu diesem Zeitpunkt darum beworben. «Besonders erfreulich ist, dass immer mehr Frauen Projekte einreichen», sagt Professor Michael Schaepman, der das Projekt an der UZH initiiert hat und inzwischen zum Rektor gewählt wurde. Zugenommen hat auch die Qualität der eingereichten Projekte – unter anderem dank des Feedbacks, das die Jury zu Bewerbungen mit spannenden, aber noch zu wenig ausgereiften Ansätzen gibt. «Die Rückmeldungen der Jury erlauben es den Bewerbenden, ihre Anträge für den zweiten Versuch massgeblich zu verbessern», sagt Michael Schaepman. Für die Qualität der ausgewählten Projekte spricht auch, dass diese bisher rund eine Million Schweizer Franken an weiteren Drittmitteln einwerben konnten. Zudem haben vier der bisher unterstützten Projekte bereits zur Gründung eines Spin-offs geführt. «Für viele der Nachwuchsforschenden sind unsere Fellowships das entscheidende Sprungbrett für ihre Karriere als Unternehmerin oder Unternehmer», ist Schaepman überzeugt.  

Gut vorbereitet für die neue Rolle

Deana Mohr hat den Karrieresprung wohlüberlegt gemacht:  «Ich fühle mich auf meine Rolle als CEO unseres Unternehmens gut vorbereitet.» Sie ist überzeugt, dass sie an einem Projekt mitarbeitet, das gesellschaftlich relevant ist: «Schätzungsweise 150 Millionen Frauen weltweit leiden an Belastungsinkontinenz. Und die Dunkelziffer ist wahrscheinlich hoch, weil das Leiden oft tabuisiert wird.» Wenn alles gut läuft, werden die klinischen Studien zur Stammzellen-Therapie im Jahr 2026 abgeschlossen sein. Bis dahin gilt es, MUVON Therapeutics so weit zu etablieren, dass der Markteintritt erfolgen kann. 

Text: Adrian Ritter
Foto: Oliver Lang