Der Chirurgieroboter fixiert sich im Kniegelenkspalt
Mithilfe einer Konstruktion, die Luftkissen ähnelt, fixiert sich der Chirurgieroboter im Kniegelenkspalt, damit der Laser bewegungsfrei arbeiten kann.

Verzahnt und verknüpft

Das Projekt MIRACLE II an der Universität Basel entwickelt einen Laserroboter, der schonende, minimalinvasive Knochenoperationen ermöglichen wird. So langsam greifen die Rädchen dieses hochkomplexen Vorhabens ineinander: Die Forschenden führen Techniken und Systeme zusammen, die sie in den letzten Jahren konzipiert und entwickelt haben.

Der Umzug in topmoderne Räumlichkeiten war für die Forschungsgruppen von MIRACLE II an der Universität Basel ein Höhepunkt des abgelaufenen Jahres. Und er steht stellvertretend für die neue Phase, in die das Projekt einbiegt: Die neuen Räume und Labors bieten nicht nur mehr Platz, sondern sind auch so konzipiert, dass sie den Austausch zwischen den Forschenden fördern.

Die Zusammenarbeit der verschiedenen Gruppen in dem Projekt werde immer wichtiger, sagt Projektleiter Philippe Cattin. «Wir arbeiten vermehrt an der Integration der verschiedenen Systeme und Sensoren, die wir während MIRACLE I entwickelt haben.» Sie alle dienen dem grossen Ziel von MIRACLE II: der Entwicklung eines robotergesteuerten Lasersystems, das minimalinvasive Knochenoperationen vornimmt und passende Implantate in den Körper bringt.

Eine wichtige Rolle spielt dabei ein Virtual- und Augmented-Reality-System, das Cattin mit seinem Team entwickelt hat. Es dient der Planung und Überwachung von Operationen. Das System analysiert zum Beispiel ein defektes oder von einem Tumor zerfressenes Knochenstück im Körper. «Wir haben ihm beigebracht zu berechnen, wie das Ersatzstück aussehen muss, damit es beispielsweise die Schädelform wieder schön füllt», erzählt Cattin.

Von der VR zum 3D-Drucker

Dazu entwickelten die Forschenden eine künstliche Intelligenz, die über ein anatomisches Verständnis verfügt. Sie muss beurteilen können, wo Knochen fehlt – und wie dieses Stück bei einem gesunden Menschen dieser Grösse aussieht. «Heute zeichnen hochbezahlte Spezialisten mit CAD-Programmen die Form solcher Implantate», sagt Cattin.

Seine Gruppe hat dieses automatische Planungssystem nun bereits verknüpft mit der Implantate-Herstellung, für welche das Forschungsteam von Florian Thieringer verantwortlich ist. Der Chefarzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am Universitätsspital Basel leitet auch das spitaleigene 3D-Druck-Labor. Die Berechnung der künstliche Intelligenz wird an den 3D-Drucker geschickt, der dann das passende Implantat druckt.

Noch muss die Datei, die das Planungstool erstellt, zuerst abgespeichert und dann im Drucktool neu gestartet werden. «Aber unser Ziel ist es, dass wir im VR-Programm bloss einen Knopf drücken müssen, um die Produktion im 3D-Drucker zu starten», sagt Cattin. Auch wenn das System technisch prima funktioniere, wird die Automation momentan in der Klinik noch nicht benutzt. Zuerst müssen die regulatorischen Aspekte geklärt werden.

Laser arbeiten zusammen

Auch in anderen Projektbereichen fügen sich die MIRACLE-Entwicklungen langsam, aber sicher zusammen. Ein Herzstück des Projekts ist ein winziger Laser, der beschädigte Knochenstücke genau und sauber herausschneiden wird. Er wird imstande sein, das umliegende Gewebe vollkommen intakt zu lassen. Dazu muss er wissen, wo im Körper er gerade ist und welche Art von Gewebe er vor sich hat.

In einem ersten Schritt hatten die Forschenden deshalb drei verschiedene Lasersysteme entwickelt: einen Laser, der die Schnitttiefe misst, einen Laser, der Gewebe charakterisiert, und einen Laser, der schneidet. «Anfangs arbeitete jeder Doktorand für sich an seinem Teilproblem», erzählt Philippe Cattin. «Erst als alle funktionierten, konzentrierten wir uns darauf, wie wir sie zusammenbringen.» Das ist kürzlich gelungen: In einer Publikation zeigt das MIRACLE-Team, wie das Zusammenspiel dieser Laser-Typen funktioniert. Es gelang ihnen, Knochen genauestens zu schneiden – und gleichzeitig dank der Mess- und Charakterisierungsmethoden den Schaden am Knochenmark auf ein Minimum zu beschränken.

Damit der Laser dereinst einen genauen und sicheren Schnitt vornehmen kann, müssen weitere Voraussetzungen erfüllt sein. So darf sich das winzige, robotergesteuerte Endoskop, in dem sich der Laser befindet, während des Eingriffs keinesfalls bewegen. Es muss sich also im Körper festhalten. «Das klingt trivial, ist aber wissenschaftlich höchst anspruchsvoll», sagt Philippe Cattin. Eine Doktorandin von Co-Projektleiter Georg Rauter hat nun eine Lösung für dieses Problem gefunden: Sie entwickelte, am Beispiel des Kniegelenks, einen Befestigungs-Prototyp.

Das System funktioniert mit speziellen Ballons oder Luftkissen. Am Bestimmungsort angekommen, blasen sie sich auf und füllen den Raum zwischen Roboter und Gewebe. So wird der Roboter fixiert. «Hat der Laser seinen Schnitt gemacht, kann man Luft aus den Kissen rauslassen und der Roboter wandert weiter zur nächsten Stelle», erklärt Cattin.

Und genauso, Schritt für Schritt, treibt das MIRACLE-Team die Revolution der Knochenchirurgie voran.