«Nano-Magnete» stabilisieren
Im Projekt CarboQuant bauen Forschende quantisierte magnetische Momente, sogenannte Spins, in ihre Graphen-Nanobänder ein und verknüpfen sie kontrolliert miteinander. Nun geht es darum, diese «Nano-Magnete» als Schaltelemente für Quantenanwendungen in der Sensorik, Kommunikation und Datenverarbeitung nutzbar zu machen. Für diese Aufgabe konnte eine der weltweit führenden Expertinnen auf dem Gebiet des Quantenmagnetismus gewonnen werden.
«CarboQuant ist zum Zement geworden, der all unsere Forschungsaktivitäten verbindet», sagt Co-Projektleiter Oliver Gröning. Mit Roman Fasel, Leiter des nanotech@surfaces Laboratory am Eidgenössischen Forschungsinstitut für Materialwissenschaften und Technologieentwicklung (Empa) in Dübendorf bei Zürich, hat er im letzten Jahr die in ihrer Abteilung arbeitenden Forschungsgruppen neu strukturiert: in die Bereiche Kohlenstoff-Nanomaterialien, atomistische Simulationen, lokale optische Spektroskopie, molekularer Quantenmagnetismus und Material-Integration in Schaltkreise. Die Doktorierenden und Postdoktorierenden in diesen Gruppen arbeiten nun vorwiegend bei CarboQuant mit. «Starke Querverbindungen zwischen den Forschungsgruppen sind für uns enorm wichtig», betont Gröning. «Die neue Struktur der interdisziplinären Zusammenarbeit ist unerlässlich für den Schritt von der Grundlagenforschung in die Quantenanwendung.»
Die Finanzierung durch die Werner Siemens-Stiftung (WSS) hat der Projektidee grossen Schub verliehen. «Wenn der Stein mal am Rollen ist, stösst er weitere Steine an», freut sich Gröning. Die 15 Millionen Schweizer Franken, die die WSS CarboQuant für die Jahre 2022 bis 2032 zugesichert hat, erlauben es den Projektleitern, die Förderung von spezialisierten Teilbereichen etwa durch den Schweizerischen Nationalfonds und den Europäischen Forschungsrat (ERC) besser zu vernetzen und in das langfristige Ziel von CarboQuant zu integrieren.
Eine der weltweit Besten
«CarboQuant zieht enorm an», sagt Gröning, «auch personell.» So konnte mit der südkoreanischen Quantenphysikerin Dr. Yujeong Bae eine weltweit führende Spezialistin auf dem Gebiet der Quantenkontrolle von Elektronen- und Kernspins auf Oberflächen für das Projekt gewonnen werden. Bae leitete eine eigene Forschungsgruppe am renommierten Center for Quantum Nanoscience in Seoul, bevor sie im Januar 2024 in die Schweiz gezogen ist. Dank der WSS-Unterstützung können ihr bei CarboQuant Topbedingungen geboten werden.
«Yujeong Bae war unsere Wunschkandidatin», erzählt Gröning. «Sie bringt genau das richtige Know-how für unsere Ziele mit – den Quantenmagnetismus mit atomarer Präzision zu kontrollieren.» Weltweit gebe es nur eine Handvoll Personen mit den nötigen Qualifikationen. Dass Bae die Empa und CarboQuant als neue Heimat für ihre Forschung gewählt hat, habe sicher auch damit zu tun, dass den jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hier grosse Freiräume gewährt werden. «Wir erfahrene Projektleiter geben Richtungen vor, räumen Hindernisse aus dem Weg und öffnen Türen; den Weg sollen die jungen Forschenden selbstständig gehen», sagt Gröning. Die Flexibilität, auf unerwartete Befunde eingehen zu können und neue Wege zu beschreiten, ist explizit möglich. «Diese Freiheit ist unglaublich attraktiv und eröffnet ein kreatives Forschungsfeld, das nur wenige Institutionen bieten können.»
Und Kreativität ist für die kommenden Schritte gefragt. Das Ziel ist klar: Es sollen Nanomaterialien entwickelt werden, in denen sich die Spins von Elektronen gezielt einsetzen und kontrollieren lassen, um damit quantenmechanische Operationen und Funktionen unter Alltagsbedingungen durchführen zu können. Dazu muss man die Spins nicht nur miteinander verknüpfen, sondern auch eine sogenannte «Quantenverschränkung» kontrolliert herstellen, dann steigen die Kombinationsmöglichkeiten exponentiell – und damit auch die potenzielle Rechenpower.
Verknüpft, aber noch instabil
«Bei den Kohlenstoff-Nanomaterialien von CarboQuant gelingt das Verknüpfen der Spins schon ganz hervorragend», sagt Gröning. Die grosse Herausforderung besteht nun darin, die äusserst flüchtige Quantenverschränkung zu realisieren und auch möglichst lange zu erhalten. «Das ist die Aufgabe, mit der sich Yujeong Bae intensiv beschäftigen wird.»
Denn die in CarboQuant genutzten Spins sind zwiespältige «Geschöpfe». Sie können zwar wunderbar an bestimmten Stellen der Nanostrukturen angeordnet und damit kontrolliert verknüpft werden, aber sie sind auch chemisch reaktiv, was sie instabil macht. «Damit sie stabil werden, müssen wir sie umhüllen», sagt Gröning. Dazu wird hexagonales Bornitrid, sogenanntes «weisses Graphen», benutzt. Damit lassen sich die Spins auf den Kohlenstoff-Nanobändern verkapseln und vor chemischen Reaktionen schützen. Diese Isolation ist die Grundvoraussetzung für den nächsten Entwicklungsschritt: Die so entstehenden molekularen «Nano-Magnete» sollen in Quantenanwendungen der nächsten Generation als Schaltelemente oder Sensoren genutzt werden.