Die Materialingenieurin Dr. Gabriela Borin Barin vom CarboQuant-Team untersucht eine Probe von Kohlenstoff-Nanobändern im Rastertunnelmikroskop.

Manipulation im Nanobereich

Das Projekt CarboQuant an der Empa in Dübendorf bei Zürich wird seit 2022 von der Werner Siemens-Stiftung unterstützt. Schon im ersten Jahr haben die Forschenden einen Meilenstein erreicht. 

Die CarboQuant-Forschenden entwerfen am Reissbrett spezifische, auf Graphen basierende Molekülstrukturen und fertigen diese dann atomgenau an. Die Schwierigkeit dabei ist, dass die entstehenden Materialien praktisch unlöslich und teils sehr reaktiv sind – «ein Alptraum für jeden Chemiker», wie CarboQuant-Co-Projektleiter Oliver Gröning bemerkt.

Die Forschenden lösten das Problem, indem sie die Synthese nicht in einer Flüssigkeit, sondern an einer Metalloberfläche stattfinden liessen. In den letzten 15 Jahren ist das Verfahren so weit gediehen, dass sie nun völlig neuartige Graphen-Strukturen in verschiedensten Varianten – zum Beispiel in Form von Nanobändern – herstellen können.

Mittlerweile kann das CarboQuant-Team selbst die Herstellung komplexer Graphen-Nanobänder kontrollieren. Die Forschenden haben es geschafft, sogenannte Spins gezielt in die Nanostrukturen einzubauen und zu verknüpfen. Spins sind quantisierte magnetische Momente und eine fundamentale Eigenschaft von Elementarteilchen. «Sie gelten in der Quantenphysik als vielversprechender Grundbaustein neuer Quantentechnologien», sagt Oliver Gröning.

Herausforderung Integration

Nun folgt der nächste Schritt: die Entwicklung einer Technologieplattform, die sich die ungewöhnlichen Quanteneigenschaften der Graphen-Nanobänder zunutze macht. Dazu müssen die Forschenden die Quanteneffekte zuerst charakterisieren und analysieren und dann deren Integration in elektronische Bauteile in Angriff nehmen. «Das sind alles riesige Arbeitsfelder, welche wir themenübergreifend angehen müssen», sagt Oliver Gröning.

Der Bereich «Materials to Devices» wurde im Jahr 2022 durch die Ernennung von Gabriela Borin Barin zur Bereichsleiterin massgeblich gestärkt. Borin Barin nimmt sich mit ihrem Team der Herausforderung an, die Graphen-Nanobänder in Chip-ähnliche Strukturen zu integrieren und die elektronischen Transporteigenschaften unter verschiedenen Bedingungen zu messen. «Das ist sehr anspruchsvoll, weil unsere Nanostrukturen viel kleiner sind als die Bestandteile der neuesten kommerziellen Chip-Generation», sagt Roman Fasel, Co-Projektleiter von CarboQuant. «Es braucht noch viel Grundlagenforschung und spezifisches Know-how aus unterschiedlichen Bereichen, bis man solch ultrakleine Chip-Komponenten bauen kann.» Roman Fasel versteht sich denn auch als «Networker»: Er will für das Projekt CarboQuant Forschungsgruppen aus der ganzen Welt zusammenbringen.

Zusammenarbeit führt zum Erfolg

Der Erfolg gibt ihm recht: In 2022 publizierte ein Zusammenschluss von Forschungsgruppen aus den USA, aus Deutschland, China und der Schweiz einen wissenschaftlichen Artikel zur Integration von nur gerade 0,6 Nanometer breiten Graphen-Nanobändern in Feldeffekttransistoren und zu deren elektronischen Transporteigenschaften. «Aber auch das Fachwissen in den eigenen Reihen hat zu einem Durchbruch geführt», freut sich Roman Fasel. Zusammen mit dem Empa-Labor «Transport an nanoskopischen Grenzflächen» stellte das CarboQuant-Team komplexe elektronische Graphen-Nanoband-Bauteile her, welche auf kleinstem Raum mehrere Steuerelektroden integrieren.

Weiter ist es gelungen, einen elektronischen Kontakt zwischen einzelnen Graphen-Nanobändern und Elektroden aus einwandigen Kohlenstoff-Nanoröhren – der zylindrischen Variante von Graphen-Nanobändern – herzustellen. «Diese Herausforderung schien wegen der winzigen Grössenverhältnisse unlösbar», erzählt Fasel. «Doch dank der Empa-internen Zusammenarbeit konnten wir die Fertigungspräzision auf einen beispiellos kleinen Massstab bringen.»

Die Bauteile zeigten bei den Messungen sehr klare Merkmale eines Einzelelektronen-Transistors – und somit das Markenzeichen eines Quanteneffektes. «Damit haben wir bereits einen wichtigen Meilenstein erreicht, darauf können wir bei der Integration komplexerer elektronischer und Spin-Funktionalitäten aufbauen», sagt Roman Fasel.

Spins manipulieren und verstehen

Derzeit können die Forschenden die Spin-Eigenschaften ihrer Graphen-Nanomaterialien zwar mit atomarer Auflösung charakterisieren. Doch die bestehende Infrastruktur an der Empa reicht nicht für die Ziele von CarboQuant, nämlich Spins zu manipulieren und ihre Dynamik zu verstehen. Dank der finanziellen Unterstützung der Empa-Direktion und des Schweizerischen Nationalfonds kann nun ein neues Rastertunnelmikroskop an der Empa aufgebaut werden. Damit lässt sich Elektronen-Spin-Resonanz an einzelnen Atomen durchführen. Für dessen Betrieb baut CarboQuant eine eigene Forschungsgruppe für molekularen Quantenmagnetismus auf.