Weltneuheit: Atomare Lichtquelle entdeckt
Wer forscht, macht zuweilen völlig überraschende Entdeckungen. So fand das Team um Jürg Leuthold vom Zentrum für Einzelatom-Elektronik und -Photonik an der ETH Zürich heraus, dass manche ihrer Atomschalter auch Licht erzeugen – eine Weltneuheit!
Die Welt der Atome ist immer wieder für Überraschungen gut. Das erlebte kürzlich das Team um Jürg Leuthold von der ETH Zürich, das unterstützt von der Werner Siemens-Stiftung an einem revolutionären Atomschalter forscht. Für dieses Projekt arbeiten die Wissenschaftler mit sogenannten Memristoren. Auf diesen winzigen Bauelementen versuchen sie, elektrische Stromkreise auf engstem Raum zu erzeugen – durch Verschieben von einem oder wenigen Atomen.
Dazu verwenden die Forschenden unter anderem ein Silber- und ein Platinplättchen, die als Elektroden fungieren und durch einen winzigen Spalt voneinander getrennt sind. Betätigt man einen Schalter, legt man also eine Steuerspannung an, füllt ein Silberatom diesen Spalt, schliesst den Stromkreis und erzeugt ein elektrisches Signal. Aber eben nicht nur das, wie Leuthold und sein Team in einer kürzlich veröffentlichten Studie im Fachmagazin «Light: Science & Applications» nachweisen: Beim Erzeugen der elektrischen Spannung werden auch Lichtteile freigesetzt, sogenannte Photonen.
Von Auge sichtbares Licht
Diese Entdeckung, die es sogar auf die Titelseite des Fachmagazins schaffte, sei überraschend gekommen, sagt Jürg Leuthold. «Es handelt sich um eine völlig neue, bisher unbekannte Lichtquelle.» Obwohl die Lichtteilchen auf atomarer Ebene erzeugt werden, könne man sie sogar von blossem Auge sehen. In der Studie zeigen die Forschenden auch auf, wie genau die Photonen entstehen: Die lokale Veränderung der atomaren Zusammensetzung verursacht auf der amorphen Silizium-Oxid-Platte lumineszierende Stellen. Wenn diese Stellen elektrisch angeregt werden, erzeugen sie Photonen.
Die Photonen-Emission ist nicht auf Bauteile beschränkt, bei denen eine Silber- und eine Platinelektrode auf einer Silizium-Oxid-Schicht liegen. In ihrer Studie schreiben Leuthold und sein Team, sie hätten bereits noch viel stärkere Lichtemissionen auf Memristoren gefunden, bei denen zwei Silberelektroden mit einem Träger aus dem Kunststoff PMMA kombiniert worden waren.
Eine Hilfe in der Quantentechnik
Das Interessante an diesem neuartigen Mechanismus sei, dass damit ein elektrischer Schalter auch zu einer Lichtquelle werde, sagt Leuthold. «Wer heute in einem Memristor Lichtteilchen benutzen will, muss dafür einen separaten Laser bauen und diesen in das Element integrieren.» Laserlicht-Quellen direkt auf Chips wiederum funktionieren nicht im atomaren Massstab. Ihre Grösse bewegt sich im Mikrometer-Bereich – viel zu gross, um sie passend und in industriellem Massstab auf den kleinsten Transistoren zu verbauen, die heute im Nanometerbereich operieren.
Laut Leuthold ist die Wissenschaft sehr interessiert daran, kompakte Lichtquellen auf Transistoren zu bringen. Diese liessen sich zum Beispiel als Photodetektoren benutzen oder um Prozessoren und Speicher miteinander zu verbinden. In der Quantenkommunikation wiederum benötigt man Lichtquellen, die stets nur ein einzelnes Photon freisetzen. Und nicht zuletzt wären solche Photonen-Quellen enorm hilfreich beim sogenannten «Neuromorphic Computing». Dabei versuchen Wissenschaftler, die Verschaltungen auf Chips nach dem Vorbild des menschlichen Gehirns zu modellieren.
An Idee mangelt es nicht
Die neu entdeckte atomare Lichtquelle ist laut Leuthold aber nicht nur interessant für Transistoren, die noch in Entwicklung sind. Sie sei auch kompatibel mit den heutigen CMOS-Halbleiterelementen, die in modernen Computern und vielen anderen elektronischen Produkten Verwendung finden. Das ist eine gute Nachricht, weil die heutige Halbleiterelektronik zunehmend an ihre Grenzen stösst: Je kleiner die Bauteile, desto grösser wird der Leistungsverlust zwischen den einzelnen Elementen. Optische Schaltungen würden deutlich weniger Energie verbrauchen.
Insgesamt, schreiben Leuthold und sein Team, könnte ihre Entdeckung den Anstoss geben zu einem neuen Entwicklungsparadigma, um Atomschalter herzustellen, auf denen sich elektrische und optische Funktionalitäten auf einer einzigen Nanometer-kleinen Einheit einbetten liessen. Seine Arbeitsgruppe habe denn auch bereits einige Ideen, wozu man die neue Lichtquelle nutzen könnte, sagt Leuthold und fügt mit einem Lächeln hinzu: «Aber natürlich wollen wir da noch nicht zu viel verraten.»