Einzelatom-Schalter
Die Fortschritte am Projekt Einzelatom-Schalter sind erfreulich, die Forschenden messen einen Rekord nach dem anderen.

Rekorde am Laufmeter

Der Mikrochip der Zukunft soll auf atomarer Basis funktionieren. Auf dem Weg zu dieser Miniaturisierung haben Forscherinnen und Forscher an der ETH Zürich und am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gleich mehrere Rekorde aufgestellt.

Grenzen sind zum Verschieben da. Zumindest im Forschungsprojekt Einzelatom-Schalter, das die Werner Siemens-Stiftung seit 2017 unterstützt. «Wir haben im vergangenen Jahr gesehen, dass die physikalischen Grenzen beim Energieverbrauch unseres Schalters noch nicht erreicht sind», sagt ETH-Professor und Projektleiter Jürg Leuthold.

In einem ersten Schritt hatte die mitarbeitende Forschungsgruppe um Professor Thomas Schimmel vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) einen Transistor mit Zinn-Elektroden entwickelt, der mit einer Steuerspannung von lediglich 3 Millivolt ein- und ausgeschaltet werden kann. Das bedeutet, dass dieser Schalter rund 10 000 Mal weniger Energie verbraucht als herkömmliche Schalter, die auf der Silizium-Halbleitertechnologie basieren.

«Schalter ein» in 14 Pikosekunden

Kaum hatte die Forschungsgruppe diesen Rekord im Juli 2022 in einem Fachmagazin publiziert, folgte bereits der nächste: Einige Wochen später gelang es Schimmel und seinem Team, die Steuerspannung noch einmal um den Faktor zehn herunterzuschrauben, auf 0,4 Millivolt. Weil sich Spannung und Energieverbrauch quadratisch zueinander verhalten, nimmt damit der Energieverbrauch um einen weiteren Faktor 100 ab. Der neue Transistor ist also eine Million Mal energieeffizienter als heutige Chips und produziert eine Million Mal weniger Wärme.

An der ETH Zürich hat Leutholds Gruppe derweil einen anderen Rekord aufgestellt. Eine wichtige Kennzahl des Atomschalters sei seine Geschwindigkeit, erzählt der Projektleiter. «Wenn Atomschalter beim Ein- und Ausschalten langsam reagieren, können sie noch so klein sein – sie werden sich nicht durchsetzen.» Bislang musste tatsächlich ein solches Szenario befürchtet werden: Atomschalter hatten eine deutlich langsamere Schaltgeschwindigkeit als herkömmliche Chips.

Doch nun gelang es Leuthold und seinem Team, den Wert auf 14 Pikosekunden zu senken. Also auf 14 Millionstel einer millionstel Sekunde. Das sei Weltrekord für einen Atomschalter und liege in der Grössenordnung der heutigen Silizium-Chips, sagt der Forscher. Zudem wiesen er und seine Kolleginnen und Kollegen nach, dass die Geschwindigkeit auch nach mehreren Dutzend Ein- und Ausschaltzyklen nicht abnimmt – und dass der Widerstand und damit die Stromstärke reguliert werden kann. «Die Schaltgeschwindigkeit ist künftig also kein Argument mehr, das gegen Atomschalter spricht.»

Bessere Bauteile dank Simulationen

Auch sonst hat das Zentrum für Einzelatom-Elektronik und -Photonik beachtliche Fortschritte gemacht. So haben die Forscherinnen und Forscher einen ersten Chip hergestellt, auf dem sie ihren Atomschalter mit einem herkömmlichen Transistor kombinierten. Sie konnten aufzeigen, dass bereits damit deutliche Energieeinsparungen möglich sind.

Und nicht zuletzt hat die Modellierungsgruppe von ETH-Forschungspartner Mathieu Luisier einen wichtigen Schritt gemacht. Sie entwickelte eine Plattform, die Simulationen der gesamten Atomchip-Architektur durchführen kann – von der atomaren Struktur bis zum gesamten Bauteil.

Die Simulationen seien nicht nur enorm wichtig für ein besseres theoretisches Verständnis der fundamentalen Vorgänge, sagt Leuthold. Sie lieferten auch Anleitungen, wie die verschiedenen Bauteile gebaut werden können, damit sie möglichst zuverlässig und energiesparend funktionieren. Das verhindert Fehlversuche und spart Zeit und Ressourcen: Bis die Forscher jeweils ein neues Bauteil hergestellt haben, können gut und gerne einige Monate vergehen.

Die Aussichten auf eine Revolution im Elektronikmarkt stehen also gut. Insgesamt, sagt Jürg Leuthold, sei er inzwischen ziemlich sicher, dass die neue Atomschalter-Technik die bisherigen Silizium-Halbleiter dereinst als Standardtechnik ablösen werde.