Prähistorischer Zahnstein
Zahnstein konserviert die DNA über Jahrtausende hinweg und liefert so nie dagewesene Informationen über die Artenvielfalt und die funktionellen Fähigkeiten alter Mikroben.

Prähistorische Naturstoffe gewinnen

Die Forschenden der Paläobiotechnologie wollen das Erbgut von prähistorischen Bakterien nutzen, um Antibiotika herzustellen, die auch gegen resistente Erreger wirken. Wie die Archäogenetikerin Christina Warinner und der Chemiker und Biotechnologe Pierre Stallforth dabei vorgehen, illustriert die Bildfolge.

1. Die Suche

Christina Warinner (links) und ihr Team verfügen über Tausende von archäologischen Funden aus aller Welt. Die Funde reichen bis 100 000 Jahre in die Geschichte der Menschheit zurück. Viele sind bereits genetisch untersucht worden.
Christina Warinner (links) und ihr Team verfügen über Tausende von archäologischen Funden aus aller Welt. Die Funde reichen bis 100 000 Jahre in die Geschichte der Menschheit zurück. Viele sind bereits genetisch untersucht worden. Jetzt gilt es in der Datenbank jene Objekte auszuwählen, die zu Naturstoffen mit antibiotischen Eigenschaften führen könnten – und damit vielversprechende Kandidaten für die Herstellung neuer Antibiotika sind.

2. Der Zahnstein

Ein 3000 Jahre alter Unterkiefer.
Die Zähne in einem 3000 Jahre alten Unterkiefer versprechen Erfolg. Nirgendwo sonst findet man so viel und so gut erhaltene DNA aus der Frühzeit wie in Zahnstein, weiss Christina Warinner, denn darin sind Nahrungsreste und Bakterien konserviert. Die Archäogenetikerin schabt den Zahnstein im Reinraum ab, dessen Umgebungsluft weitgehend frei von Partikeln ist, so dass nichts die Arbeit stören kann. Sie trägt ausserdem Schutzkleidung, damit sich ihre eigene DNA nicht mit dem prähistorischen Erbgut vermischt.

3. Das Puzzle

Mithilfe neuester Sequenzierungs-Technologie wird der Aufbau der prähistorischen Zahnstein-DNA bestimmt. Anschliessend werden diejenigen Abschnitte des Erbguts identifiziert, die für die Produktion von Naturstoffen zuständig sind.
Mithilfe neuester Sequenzierungs-Technologie wird der Aufbau der prähistorischen Zahnstein-DNA bestimmt. Anschliessend werden diejenigen Abschnitte des Erbguts identifiziert, die für die Produktion von Naturstoffen zuständig sind. Dazu nutzt das Team von Pierre Stallforth Methoden der Bioinformatik. So können die DNA Schnipsel richtig zusammengesetzt und Lücken im Erbgut ergänzt werden.

4. Die Reaktivierung

Sind die DNA-Abschnitte gefunden, die für die Produktion von antibiotischen Naturstoffen zuständig sind, können sie von Biotechnologe Pierre Stallforth (Mitte) und seinen Mitarbeitenden in heutige Laborbakterien eingebaut werden.
Sind die DNA-Abschnitte gefunden, die für die Produktion von antibiotischen Naturstoffen zuständig sind, können sie von Biotechnologe Pierre Stallforth (Mitte) und seinen Mitarbeitenden in heutige Laborbakterien eingebaut werden. Einen Teil der dazu nötigen Technologie müssen die Forschenden im Rahmen des Projektes zuerst noch entwickeln.

5. Die Ernte

Stahltanks im Labor der Forscher.
Die Laborbakterien mit der ergänzten DNA werden in Stahltanks gezüchtet. Während dieser sogenannten Fermentation vermehren sie sich und produzieren auch die prähistorischen Naturstoffe – wie von ihrem veränderten Erbgut vorgesehen. In einem mehrstufigen Verfahren trennen die Forschenden die Naturstoffe von der Masse der Bakterien. In säulenartigen Gefässen wird schliesslich der reine Naturstoff gewonnen.

6. Die Stunde der Wahrheit

In Petrischalen kann man gut erkennen, ob die gewonnenen Naturstoffe gegen die häufigsten multiresistenten Bakterien wirken.
In Petrischalen kann man gut erkennen, ob die gewonnenen Naturstoffe gegen die häufigsten multiresistenten Bakterien wirken. Bis 2029 wollen die Forschenden neuartige Wirkstoffe aus prähistorischer DNA vorlegen, die für die Pharmaindustrie interessant sind – als Antibiotika oder auch gegen Krebs.

Text: Adrian Ritter
Fotos: Felix Wey

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