Forschende auf der Eugen Seibold beim Aufnehmen von Klimadaten
Anpacken auf hoher See: Auf der «Eugen Seibold» nehmen Forschende mit diversen Geräten Unmengen von wertvollen Klimadaten auf.

Klimadaten vom Segelschiff

Nach drei Jahren intensiver Arbeit auf hoher See mit der segelnden Forschungsjacht «Eugen Seibold» legt das Team von Projektleiter Gerald Haug vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz erste Resultate vor. Sie ermöglichen fundierte Prognosen zum Einfluss der Klimaerwärmung auf die Ozeane.

Die Forscherinnen und Forscher haben mit der «Eugen Seibold» zwischen 2019 und 2021 mehr als 20 000 Kilometer des Atlantiks beprobt. Sie analysierten das Meerwasser zwischen Island und dem Äquator bis in eine Tiefe von tausend Metern und lernten die Austauschprozesse zwischen Ozean und Atmosphäre aufs Genaueste kennen. Ihre Geräte massen insgesamt 50 biologische, chemische und physikalische Parameter und deren Zusammenspiel; der Hauptfokus lag auf dem Treibhausgas Kohlendioxid (CO2). Terabytes an Daten und Tausende von Proben liegen nun vor und können analysiert werden.

CO2-Austausch im Tagesverlauf

Eine erste Datenauswertung am Max-Planck-Institut für Chemie bestätigt, was in groben Zügen bekannt ist: Bei der Aufnahme von CO2 durch den Ozean spielen drei Faktoren entscheidende Rollen – die physikalische Umwälzung der Wassermassen, die chemische Aufnahmekapazität und die Umsetzung von CO2 in Sauerstoff durch Algen. All diese Prozesse hängen stark von der Wassertemperatur ab. Nun kann dank der detaillierten Daten und Proben der «Seibold» der CO2-Austausch für bestimmte Meeresregionen und im Tagesverlauf aufgezeigt werden.

Nehmen wir als Beispiel den nährstoffarmen subtropischen Atlantik östlich der Azoren: Mit der aufgehenden Sonne steigt die Aktivität von Chlorophyll in den Pflanzen, dabei wird CO2 verbraucht und die Sauerstoffkonzentration in der Wasseroberfläche nimmt zu. Die am Morgen gebildeten Algen werden vom Zooplankton gefressen; dessen Atmung führt dazu, dass die CO2-Konzentration im Wasser wieder ansteigt. Im Laufe des Vormittags wird die Sonnenstrahlung so stark, dass die Algen weniger Sauerstoff aus dem CO2 bilden.

Ab Mittag entstehen durch die Verdunstung des Meerwassers Wolken, weshalb die Sonneneinstrahlung sinkt, worauf die Aktivität von Chlorophyll und die Produktion von Sauerstoff wieder ansteigen. Bei Sonnenuntergang sinkt die Sauerstoffproduktion, die CO2-Konzentration im Wasser bleibt hoch; die Algen werden vom Zooplankton abgegrast. Dieser Ablauf konnte mit leichten Unterschieden auch in den anderen untersuchten Meeresprovinzen beobachtet werden.

Hochkomplexe Wechselwirkungen

«Wir sehen, dass die CO2-Austausch-Prozesse zwischen Atlantik und Atmosphäre viel komplexer ablaufen als angenommen», sagt Ralf Schiebel, Forschungsleiter auf der «Seibold». «Die Kenntnis des Gesamtsystems, in dem sich zahlreiche physikalische, chemische und biologische Parameter gegenseitig beeinflussen, ist essenziell für Prognosen zum Klimawandel.»

Die bestehenden Modelle können nun anhand der Daten der «Seibold» verfeinert werden. So wird es möglich, realistische Zukunftsszenarien zu modellieren. Die Vorhersagen zum Einfluss der Klimaerwärmung auf den Ozean werden wissenschaftlich fundiert. Projektleiter Gerald Haug: «Das ist ein Durchbruch.»

Für die weitere Datenanalyse wurden die Kooperationen mit der «Deutschen Allianz für Meeresforschung» verstärkt und spezialisierte IT-Firmen beigezogen. «Alleine könnten wir das Datenmanagement nicht schaffen, es braucht ein Netzwerk», sagt Schiebel.

Im Dezember 2022 segelt die «Seibold» zum ersten Mal in den Pazifik. In Panama City soll für drei Jahre eine Basis eingerichtet werden, von der aus die «Seibold» ihre Forschungsreisen starten wird. «Wir erhöhen damit die Chance, einen El Niño zu erforschen», erzählt Schiebel. Das natürliche, extreme Wetterereignis El Niño ist für die Forschenden aufschlussreich, weil es die normalerweise herrschenden Prozesse im Pazifik radikal verändert, was sich auf das ganze Weltklima auswirkt.