Satellitenbild des Wetterphänomen El Niño
Das Wetterphänomen El Niño kann auch die Entstehung von Hurrikanen begünstigen.

Neuste Daten zu El Niño

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Die segelnde Forschungsjacht «Eugen Seibold» schaffte es, detaillierte wissenschaftliche Daten zu den Wetterereignissen El Niño und La Niña im Pazifik zu erheben – eine Weltpremiere.

Alle zwei bis sieben Jahre kommt um Weihnachten herum nicht nur das Christkind, sondern auch das Wetterphänomen El Niño. Es bringt ein «Geschenk» mit, das sich niemand wünscht: Hitze. Die Temperatur am Äquator steigt zu Wasser und zu Lande markant an. Die Luft- und die Meeresströmungen zwischen Südamerika und Südostasien ändern sich während rund einem halben Jahr, sodass kein kaltes Tiefenwasser aus dem Ostpazifik hochsteigt. El Niño wirkt sich in weiten Teilen der Welt verheerend aus – mit Dürren, Überschwemmungen, Hurrikanen, Artensterben.

Obwohl der hitzige El Niño und seine Gegenspielerin, die kalte La Niña, natürliche Wetterphänomene sind und seit mindestens 450 Jahren wiederkehren, weiss man nach wie vor nicht, was genau während diesem Ozean-Atmosphären-Grossereignis im Pazifik vor sich geht. Dank der von der Werner Siemens-Stiftung finanzierten Forschungsjacht «Eugen Seibold» können El Niño und La Niña nun erstmals umfassend erforscht werden.

Im Frühjahr 2023 verlegten die Forschenden die «Eugen Seibold» in den Hafen von Panama City und beprobten den Ostpazifik noch im Normalzustand, vor El Niño. Ende 2023 zeigte sich El Niño dann in seiner vollen Stärke. «Als wir im Dezember auf See waren, war das Wasser so warm, dass unsere Klimaanlage für die Kühlung der gesammelten Proben auf der ‹Seibold› fast zusammenbrach», erzählt Klimageochemiker Gerald Haug, der «Vater» der «Seibold». Doch das Team schaffte es, die äquatorialen Meeresgebiete zwischen Panama und den Galapagosinseln zu beproben.

Extreme Klimaschaukel

Neben der dramatisch steigenden Wassertemperatur massen die Forschenden kontinuierlich und über Monate die wichtigsten physikalischen, chemischen und biologischen Parameter. Etwa die Konzentrationen von CO2, Phosphat, Nitrat oder Chlorophyll – und deren Wechselwirkungen. «Wir wollen El Niño in seiner ganzen Komplexität verstehen, im Wasser, in der Atmosphäre und an der Schnittstelle, der Wasseroberfläche, wo der Gasaustausch stattfindet», sagt Haug.

In der Hochphase von El Niño stieg die Wassertemperatur im Ostpazifik rekordverdächtig an. Das Amazonas-Becken und der Norden Brasiliens erlebten eine Jahrhundertdürre, in Indien wurde es bis zu 52 Grad heiss. Im Laufe des Sommers 2024 flaute El Niño ab und die Wassertemperaturen im tropischen Ostpazifik sanken regional um fast 10 °C, was darauf hindeutet, dass sich die kühle Gegenspielerin La Niña einstellen könnte. «Das ist ein enormer Unterschied», betont Ralf Schiebel, «Seibold»-Forschungsleiter und Gruppenleiter in der Abteilung Klimageochemie, die von Gerald Haug am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz geleitet wird.

Nun liegen erstmals komplette Datensätze zur Klimaschaukel El Niño – La Niña vor. Direktor Gerald Haug ist sehr zufrieden: «Wir haben alle Daten, die wir wollten, vollständig beisammen.»

Gibt es bereits Trends zu erkennen? Haug und Schiebel winken ab. «Einen vollen Datensatz zu analysieren, braucht drei bis vier Jahre Zeit», erklärt Schiebel. Die Messdaten müssen bereinigt und einem Qualitätsmanagement unterzogen werden. Und die Daten aus Luft und Wasser müssen zueinander in Beziehung gebracht werden. Denn zwischen Ozean, Erdkruste und Atmosphäre existieren zahlreiche Wechselwirkungen, Rückkoppelungseffekte und Abhängigkeiten. Als Beispiel nennt Schiebel die CO2-Messungen: «Die Galapagosinseln sind vulkanisch aktiv, und natürliche Ausgasungen können zu lokal erhöhten CO2-Konzentrationen führen. Das müssen wir aus den hohen CO2-Werten, die wir gemessen haben, herausrechnen.»

Messbar wärmere Tiefsee

CO2 muss auch immer zusammen mit der Temperatur, dem Salzgehalt des Wassers und dem Luftdruck interpretiert werden. Je kälter und weniger salzig das Wasser und je höher der CO2-Druck in der Atmosphäre, desto mehr CO2 wird im Oberflächenwasser des Ozeans gelöst. «CO2-Messungen ohne Temperaturangaben machen deshalb keinen Sinn», betont Schiebel.

Die Wassertemperatur messen die Forschenden auf den Tausendstel genau. Denn normalerweise werden nur die oberen Wasserschichten von Sonne und Luft erwärmt, unterhalb von rund 200 Metern sollte es konstant kalt bleiben. Wird es im tiefen Pazifik auch nur ein paar Hundertstelgrade wärmer, «war sehr, sehr viel Energie im Spiel», so Schiebel. Und diese liefert offenbar die menschgemachte Klimaerwärmung bereits: «Der Ozean hat sich mittlerweile auch unterhalb von 2000 Metern Tiefe signifikant erwärmt», sagt Schiebel.

Mehr Energie im System erhöht das Risiko für Tropenstürme. Winde wiederum treiben zahlreiche weitere Prozesse in den Weltmeeren an. «Daraus resultieren verschiedene Rückkoppelungseffekte, und die sind schwierig zu durchschauen», sagt Haug. Die umfassenden Datensätze, die die «Seibold» in den kommenden Jahren erhebt, legen nun die Basis für ein tieferes Verständnis der Weltmeere in Zeiten der Klimaerwärmung.