Bild eines Bohrgerätes, mit dem der Meeresboden untersucht werden kann.
Als Ergänzung zu den bewährten Geräten von MARUM (im Bild ein Bohrgerät, mit dem der Meeresboden untersucht werden kann) wird das neue Innovationszentrum Prototypen von Umweltüberwachungssystemen entwickeln.

Sanftes Kartieren

Wie kann man das sensible Tiefsee-Ökosystem schützen, wenn dereinst die Rohstoffe am Meeresboden abgebaut werden? Ein schwieriges Unterfangen. Das Innovationszentrum für Tiefsee-Umweltüberwachung, das die Werner Siemens-Stiftung seit 2018 für zehn Jahre am MARUM in Bremen finanziert, hat sich der Herausforderung angenommen.

Die einzigartigen Tiefsee-Ökosysteme sind in Gefahr: Der Meeresboden birgt grosse Mengen wertvoller Rohstoffe wie Kupfer, Seltene Erden, Gold und Silber; diese Schätze würden zahlreiche Länder und Konzerne gerne heben. Nautilus Minerals Inc. kündigte als erstes Unternehmen an, es werde 2019 mit dem Tiefseebergbau beginnen. Zum Glück für die Tiefsee musste Nautilus Minerals den geplanten Abbau in der Bismarcksee bei Papua-Neuguinea jedoch verschieben.

Die Tiefsee kennenlernen

Der Aufschub gibt dem Innovationszentrum für Tiefsee-Umweltüberwachung Zeit, seine Technologieentwicklungen zur Umweltbeobachtung voranzutreiben. Denn noch ist das Innovationszentrum nicht so weit (und auch sonst keine andere Umweltschutzorganisation), dass es die Tiefsee grossflächig überwachen, geschweige denn schützen könnte. Das liegt daran, dass die Tiefsee zu 90 Prozent unbekanntes Gelände ist und man als Erstes herausfinden muss, was genau es dort zu schützen gibt. Was man aber sicher weiss: In der Tiefsee, das heisst: in 200 bis 11 000 Metern Tiefe, kann sich das Leben nach einem Abbau fast nicht oder nur extrem langsam erholen. Tiefseebergbau hätte gravierende Auswirkungen auf das Ökosystem Ozean.

Anspruchsvolles Kartieren

Um einen Schutzplan für die Tiefsee zu entwerfen, muss das Team um Werner Siemens-Stiftungsprofessor Ralf Bachmayer deshalb als Erstes einen Weg finden, um hochdetaillierte Karten zu erstellen. Das ist wie das meiste in der Tiefsee sehr anspruchsvoll. Eigentlich alles, was ein Kartieren erst möglich macht, ist in der Tiefsee ein grosses Problem: die Energiezufuhr, die Datenübertragung und vor allem das Steuern der Kamera über dem Meeresboden, der extrem empfindlich auf Wasserturbulenzen reagiert. Die unterste Schicht zwischen Wassersäule und Meeresboden ist nur teilweise felsig, meist besteht sie ähnlich wie in einem Moor aus sich auflösenden, schwebenden Partikeln, die durch die geringste Bewegung aufgewühlt werden – was das Ökosystem in der Tiefe empfindlich stört.

Im Tandem sanfter

Ralf Bachmayer und sein Team haben daher ein Konzept entwickelt, das dieses Problem mithilfe von zwei miteinander kommunizierenden Unterwasserfahrzeugen löst: Ein «Mutter-U-Boot» (zum Beispiel das bereits entwickelte Hybrid-Unterwasserfahrzeug H-ROV, das sowohl ferngesteuert als auch autonom betrieben werden kann) beleuchtet aus gebührender Distanz den Meeresboden und macht davon grobe Übersichtsaufnahmen. Gleichzeitig steuert das Mutter-U-Boot ein kleines, agiles Gefährt in Bodennähe. Das kleine Gefährt macht vom Meeresboden hochaufgelöste Nahaufnahmen, die es an das Mutter-U-Boot sendet. Das kleine bodennahe Gefährt ist ein minimal invasives «autonomes Unterwasserfahrzeug» (AUV). Minimal invasiv bedeutet, dass sich das AUV äusserst behutsam und langsam über dem Meeresboden bewegt, damit die unterste Meeresschicht nicht aufgewühlt und das Wasser nicht getrübt wird. Autonom bedeutet, dass man dem AUV zwar eine Strecke und eine Distanz zum Meeresboden, der kartiert werden soll, vorgeben kann, es aber autonom auf plötzlich im Dunkel auftauchende Felsbrocken oder Berge reagiert und diesen teilintelligent ausweicht. Teilintelligent bedeutet, dass das AUV zwar selbst entscheidet, wie es auf Hindernisse reagiert, dabei aber vom Mutter-U-Boot überwacht wird.

Datenübermittlung

Die hochaufgelösten Aufnahmen des Meeresbodens wird das AUV voraussichtlich mit einem optischen Modem über das Mutter-U-Boot an die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler senden. Das Modem wurde im September 2019 im Mittelmeer vor Nizza getestet. Der Test verlief positiv: Das optische Modem ist effizienter und kann mehr Daten übermitteln als sein akustisches Pendant, das üblicherweise unter Wasser zur Datenübermittlung eingesetzt wird. Zwei weitere Tests, mit höheren Reichweiten und in grösseren Tiefen, sind für das Jahr 2020 geplant. Die ersten Hürden auf dem Weg zum Ziel – dem Schutz der Tiefsee – haben Ralf Bachmayer und sein Team also bereits genommen.

Text: Brigitt Blöchlinger
Simulation: Innovationszentrum für Tiefsee-Umweltüberwachung