Gerätetest im Mittelmeer.
Das beste Kartierungskonzept zum Schutz der Tiefsee nützt nichts, wenn es nicht vor Ort erprobt werden kann. Erste Gerätetests im Mittelmeer im Februar 2020 – bevor die Covid-19-Pandemie die Forschenden wieder ins Büro verbannte.

Tests unter Druck

Ralf Bachmayer und sein Team vom Innovationszentrum für Tiefsee-Umweltüberwachung wurden durch die Covid-19-Pandemie zu einem ungünstigen  Zeitpunkt ins Homeoffice verbannt – just als sie mit dem Testen wichtiger technischer Geräte im Meer so richtig loslegen wollten.

2020 fing richtig gut an. Ende Februar konnten Werner Siemens-Stiftungsprofessor Ralf Bachmayer vom Innovationszentrum für Tiefsee-Umweltüberwachung und zwei seiner Teamkollegen, Doktorand Arne Kausche und Software-Ingenieur Pablo Gutierrez, erstmals im Meer die wichtigsten technischen Elemente ihres Systems zur Tiefsee-Umweltüberwachung testen, die sie in den zwei Jahren davor entwickelt hatten: den ferngesteuerten Tauchroboter (abgekürzt ROV: Remotely Operated Vehicle), das weiterentwickelte autonome Unterwasserfahrzeug (abgekürzt AUV: Autonomous Underwater Vehicle), ein optisches Modem, eine Low-Light-Kamera und den «Bodenknoten», ein autonom arbeitendes stationäres Kamerasystem. Das ROV und das AUV sind die zentralen Elemente, um die Kartierung der Tiefsee voranzutreiben. Damit die Unterwasserwelt bei der Kartierung nicht gestört oder gar zerstört wird, müssen die Geräte sehr umweltschonend arbeiten. Um das zu gewährleisten, hat Ralf Bachmayer ein mehrteiliges System entwickelt: Die Bilder vom Meeresboden nimmt das langsam dahingleitende, agile, kleine AUV auf. Die Bilddaten schickt es dem grösseren ROV, das sich über ihm mit mehr Abstand zum Meeresboden befindet und den Forschenden einen Überblick über das AUV und den Meeresboden vermittelt. Die Gesamtkontrolle über die Arbeiten und das Zusammenwirken von ROV und AUV erfolgt durch die Forschenden auf einem Forschungsschiff.

Schützenswerte Tiefsee

Bachmayers Konzept für die Umweltüberwachung der Tiefsee ist so komplex, weil die Ökosysteme in der Tiefe äusserst sensibel auf Eingriffe reagieren und sich davon kaum erholen können. In 200 und mehr Metern Tiefe funktioniert alles – Fortbewegung, Fortpflanzung und Regeneration – sehr langsam. Deshalb ist das Ansinnen der Länder und Konzerne, die unter dem Meeresboden schlummernden Rohstoffe wie Gold, Silber, Kobalt, Mangan oder Seltene Erden abzubauen, so verheerend. Frühere Abbauversuche haben gezeigt, dass die eingesetzten Bagger und Greifarme die äusserst sensible Tiefsee auf Jahrzehnte hinaus schwer schädigen. Deshalb ist es wichtig, dass Ralf Bachmayer sein System für die Kartierung der Tiefsee weiter testen und optimieren kann, damit schützenswerte Meeresregionen effektiv beobachtet werden können. Denn nur wenn die Internationale Meeresbodenbehörde ISA (International Seabed Authority) die ökologisch wichtigen Gebiete besser kennt, kann sie diese unter Schutz stellen und den Rohstoffabbau dort verbieten.

Tests im Mittelmeer

Im Februar 2020 waren Ralf Bachmayer und sein Team noch gut im Rennen. Erwartungsvoll sassen sie im Kontrollraum des Forschungsschiffs «Alkor» auf dem Mittelmeer und beobachteten auf dem Monitor, was ihre Unterwasserroboter bereits konnten. «Wir haben das Licht des ROV eingeschaltet, worauf die Low-Light-Kamera des AUV Bilder von ungefähr 70 m2 Meeresboden gemacht hat – ohne dass es zu Störungen beim ROV gekommen wäre», erzählt Bachmayer. «Das Zusammenspiel funktionierte, wie wir es uns vorgestellt haben. Wir waren begeistert.» Ebenfalls erfolgreich verlief der Test des von ihm entwickelten «Bodenknotens», eines autonomen, stationären Kamerasystems. «Wir stellten den Bodenknoten auf den Grund des Mittelmeers», erzählt Ralf Bachmayer. «Das System schaute sich um und detektierte selbstständig, woher Licht kam – das in diesem Fall vom ROV ausging –, und machte wie geplant Bilder davon – obwohl die Sicht schlecht war. Die Aufnahmen übertrug es kontaktlos über das optische Modem an das drei Meter entfernte ROV.» Der Bodenknoten wird dereinst dazu dienen, auf dem Meeresboden selbstständig Messungen vorzunehmen und Aufnahmen vom Meeresboden einmalig oder in Serie zu machen. Die Aufnahmedaten können dann zu einem späteren Zeitpunkt kabellos über das optische Modem abgefragt werden. Kurz vor dem Lockdown fuhr Ralf Bachmayers Crew mit der «Alkor» zu einem der Observatorien vor der spanischen Küste. Diese Observatorien sind Messstationen, die in tausend Metern Tiefe installiert sind und verschiedene Parameter wie den Bodendruck oder den Bodentemperaturverlauf messen. Sie können aber auch andere Daten wie zum Beispiel Bilder speichern, die man später kontaktlos wieder abfragen kann.

Jäher Stopp

Just nach dem erfolgreichen Abschluss der Technologietests im Mittelmeer kam die Covid-19-Pandemie und verlangsamte die Weiterentwicklung des Systems. «Unsere Geräte lassen sich zur Not auch in Gewässern wie der Weser oder der Nordsee testen, die von Bremen aus einfach zu erreichen sind», überlegte Bachmayer im Sommer 2020, als der Lockdown zwar aufgehoben war, das neuartige Coronavirus aber immer noch zirkulierte. «Die Nordsee ist zwar nur 40 Meter tief, und nicht 200 Meter und mehr wie die Tiefsee, aber man könnte dort wenigstens die Navigation des AUV bei schlechter Sicht erproben.» Sind all die neuen Hürden, die sich durch die Pandemie zusätzlich zu den Herausforderungen in der Tiefsee noch auftürmen, überhaupt zu schaffen? «Wir packen das», sagt Bachmayer. «Aber es ist wichtig, dass wir die Lösung der Aufgaben, die mit der Tiefsee-Umweltüberwachung einhergehen, schrittweise vorantreiben. Ansonsten kann die Vielzahl der wissenschaftlichen und technischen Herausforderungen überwältigend sein.»

Text: Brigitt Blöchlinger
Foto: Innovationszentrum für Tiefsee-Umweltüberwachung, MARUM, Bremen, Ralf Bachmayer