Was will wer wo?
Für die Ressourcen der Tiefsee interessieren sich knapp 30 Lizenznehmer. Wo gibt es was? Und wer möchte es haben? Eine kurze Übersicht.
1 Schwarze Raucher
An manchen Stellen in der Tiefsee ist der Meeresboden vulkanisch aktiv. Dort können sich sogenannte Schwarze Raucher bilden – das sind kleinere Schlote (auch Hydrothermalquellen genannt), aus denen durch Magma erhitztes Wasser austritt. Die Wasserfontänen haben eine schwarze Farbe wegen der zahlreichen Mineralien, die das 400 Grad heisse Wasser aus dem Vulkangestein ausgewaschen hat. Die Mineralien fällen im kalten Meerwasser aus und lagern sich bei den Schwarzen Rauchern ab. Die Ablagerungen werden Massivsulfide genannt, da sie aus Schwefelverbindungen (Sulfiden) bestehen. Sie weisen oft einen sehr hohen Metallgehalt auf: Gold und Silber, Kupfer, Blei, Zink, die Hochtechnologiemetalle Indium, Germanium, Wismut und Selen. Deshalb sind sie für den Tiefseebergbau wirtschaftlich interessant. Zahlreiche Schwarze Raucher findet man auf den Mittelozeanischen Rücken, in tiefen Ozeanbecken (Backarc-Spreizungszonen) und bei vulkanischen Bögen. Dort gibt es vielfältiges Leben in einzigartigen Ökosystemen. Hydrothermalquellen werden deshalb auch als «Oasen» der Tiefsee bezeichnet.
2 Manganknollen
Manganknollen sind etwa kartoffelgrosse Steinklumpen, die sich auf dem lockeren Sedimentboden in 3000 bis 6000 Metern Meerestiefe bilden. Sie enthalten viel Mangan und wertvolle Elemente wie Gold, Eisen, Kobalt, Kupfer, Zink, Nickel, Titan sowie Spuren von Seltenen Elementen wie Molybdän oder Tellur. Für die Entstehung von Manganknollen braucht es spezielle Tiefseebakterien und sehr viel Zeit: In einer Million Jahre wächst eine Knolle nur um 0,2 bis 10 Zentimeter.
3 Polymetallische Krusten
Polymetallische Krusten lagern sich an untermeerischen Rücken und Bergen ab. Sie sind zwischen 2 und 26 Zentimeter dick und wachsen ebenfalls extrem langsam – in einer Million Jahre nur gerade 5 Millimeter. Sie enthalten Mangan, Kobalt, Nickel, Kupfer, Platin, Cer, Molybdän, Tellur und Wolfram. Vor allem die Krusten in Wassertiefen von 800 bis 2500 Metern sind metallreich und deshalb wirtschaftlich interessant. Zwei Drittel der Polymetallischen Krusten befinden sich im westlichen Zentralpazifik. Die Gesamtmenge an trockener Erzsubstanz in allen Ozeanen wird auf 40 Milliarden Tonnen geschätzt.
4 Seltene Erden
Nahe der chinesischen Küste verlaufen tektonische Risse, die mit Vulkanen verbunden sind und in denen sich Metallablagerungen gebildet haben, die reich an Seltenen Erden sind. – Die Metalle der Gruppe Seltene Erden sind eigentlich gar nicht selten, sondern kommen einfach nur in kleinsten Mengen vor. Ihr Abbau an Land ist arbeitsintensiv, aufwändig, umweltschädigend und teuer. Jahrelang hatte China im Markt eine Monopolstellung inne, mittlerweile ist sein Marktanteil an Seltenen Erden stark gesunken. Die Metalle der Seltenen Erden werden vor allem in den Bereichen erneuerbare Energien (Solarpaneelen, Windturbinen) und Elektronik (Computer, Digitalkameras, Energiesparlampen) gebraucht; sie bilden auch die Grundlage für starke Permanentmagnete in Elektromotoren und Generatoren sowie in modernen Hochtemperatursupraleitern. Japanische Forscher haben in der Nähe von Minami-Torishima (südliche Vogelinsel) am Boden des Pazifiks in einer Tiefe von 5000 Metern ein grosses Vorkommen von Yttrium und Seltenen Erden entdeckt. Es befindet sich rund 2000 Kilometer von der japanischen Inselkette entfernt.
5 Erdöl und Erdgas
Ab 400 Metern Meerestiefe werden grosse Vorkommen an Erdöl und Erdgas vermutet. Der hohe Druck, der in diesen Tiefen herrscht, macht allfällige Bohrlochausbrüche jedoch unbeherrschbar. Das Erdöl und Erdgas am Nordpol möchten Russland, Kanada und Dänemark (für Grönland) aus dem Meer fördern. Myanmar verfügt über riesige, nicht erschlossene Öl- und Gasvorkommen in der Bucht von Bengalen. Die nötige Fördertechnologie bieten zahlreiche Unternehmen aus China, Thailand, Südkorea, Indien, Japan, den USA, Frankreich und Australien an. Um die Spratly-Inseln im Südchinesischen Meer, wo ebenfalls Erdöl vermutet wird, streiten sich China, Taiwan, Vietnam, Malaysia, Indonesien, Brunei und die Philippinen.
A Clarion-Clipperton-Bruchzone
Die Clarion-Clipperton-Bruchzone im Pazifik ist bis jetzt das grösste bekannte Manganknollengebiet. Derzeit halten 15 Länder und ihre Unternehmen Erkundungslizenzen für die 7000 Kilometer lange Clarion-Clipperton- Bruchzone. Unter ihnen die deutsche Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover. (Deutschland hält ebenfalls eine Erkundungslizenz für Massivsulfide im Indischen Ozean vor dem Inselstaat Madagaskar.) Bei einem Abbau müsste das Lizenzgebiet wegen der sehr langen Regenerationszeit der Tiefsee «als zerstört angesehen werden», schreibt die Umweltschutzorganisation WWF 2014 in einem Hintergrundpapier zum Tiefseebergbau.
B Solwara 1
Das am weitesten fortgeschrittene Abbauprojekt ist Solwara 1 in der Bismarcksee, die in der ausschliesslichen Wirtschaftszone von Papua-Neuguinea liegt. Die in Kanada registrierte Aktiengesellschaft Nautilus Minerals will dort in den Metallsulfiden in 1600 Metern Tiefe die vermuteten 100 000 Unzen Gold und 80 000 Tonnen Kupfer heben. Nautilus Minerals kämpft derzeit mit der Finanzierung, weshalb es unsicher ist, ob der Abbau wie geplant 2019 beginnen wird. – Gegen Solwara 1 gibt es weltweite Proteste, da die Bismarcksee eine der artenreichsten und ökologisch bedeutsamsten Meeresregionen der Welt ist.
C Atlantis-Tief II
Im Roten Meer befindet sich in 2000 Metern Tiefe das Atlantis-Tief II – ein Becken, das durch das Auseinanderdriften der Afrikanischen und der Arabischen Platte entstanden ist. Es ist mit einer dicken metallhaltigen Schlammschicht gefüllt und gilt als das grösste Sulfidvorkommen weltweit. Die Schlammschicht beinhaltet schätzungsweise 3 Millionen Tonnen Zink, 700 000 Tonnen Kupfer, 6500 Tonnen Silber und 46 Tonnen Gold im Gesamtwert von zirka 12 Milliarden Euro.
a Internationale
Meeresbodenbehörde ISA
1982 wurde die Tiefsee mit ihren Ressourcen von den Vereinten Nationen zum «Gemeinsamen Erbe der Menschheit» erklärt. Wie die Tiefsee genutzt werden darf, wurde 1994 im Seerechtsübereinkommen festgehalten. Darin stehen unter anderem auch die Regeln für den Tiefseebergbau. Die Internationale Meeresbodenbehörde ISA (International Seabed Authority), mit Sitz in Kingston (Jamaika), vergibt Erkundungslizenzen gegen eine Gebühr von 500 000 US-Dollar an Abbauunternehmen, wenn diese die Lizenz zusammen mit einem Staat beantragen, der die Haftung und Überwachung übernimmt. Die ISA erarbeitet derzeit einen Mining-Code für den Abbau von Manganknollen. Wichtig für die Ökologie ist folgender Punkt darin: Es müssen genügend Schutzzonen eingerichtet werden, von denen eine Neubesiedlung von Lebewesen ausgehen kann.
b Innovationszentrum für
Tiefsee-Umweltüberwachung
Das von der Werner Siemens-Stiftung finanzierte Innovationszentrum für Tiefsee-Umweltüberwachung am MARUM an der Universität Bremen will vor allem die Hydrothermalquellen entlang des Mittelatlantischen Rückens erforschen. Hydrothermalquellen gelten als verwundbare Ökosysteme, das bedeutet, dass ein Abbau sie unwiederbringlich zerstören würde. Die Forschenden interessieren sich für die Ökosysteme, die generellen Umweltbedingungen und wie sich Meeresboden und Wassersäule zeitlich und räumlich verändern und bis zu welchem Grad sie veränderbar sind. Der Meeresboden soll dort wiederholt in hoher Auflösung kartographiert werden. So können Veränderungen abgebildet werden, vor allem durch das Vergleichen der erfassten Daten. Dazu gehören zum Beispiel Messungen des Salzgehalts, der Anteil des im Wasser gelösten Sauerstoffs oder der pH-Wert im Sediment.
c Deutschlands Erkundungslizenz
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover erkundet im Auftrag der deutschen Bundesregierung seit 2006 das Lizenzgebiet für Manganknollen in der Clarion-Clipperton-Zone (Pazifik) und seit 2015 das Lizenzgebiet für Massivsulfide im Indischen Ozean vor Madagaskar. In der Clarion-Clipperton-Zone plant sie mit dreissig europäischen Partnern (inklusive MARUM) aus Wissenschaft und Industrie und mit der ISA auf April 2019 einen Test: Ein Manganknollen-Sammler soll im deutschen Erkundungsgebiet der Clarion-Clipperton-Zone in gut 4000 Metern Tiefe die Manganknollen auf einer begrenzten Fläche von 100 mal 900 Metern auflesen. Von diesem Testabbau erhofft sich das Konsortium erstmals relevante Daten zu den kurz- und mittelfristigen Auswirkungen des Tiefseebergbaus auf die Umgebung. Daraus sollen Überwachungskonzepte entwickelt und Umweltschutz-Richtlinien für zukünftige kommerzielle Tiefsee-Abbauprojekte abgeleitet werden.
d Intensiv erforschtes Tiefseegebiet
Der Hudson Canyon südöstlich von New York ist eine der besterforschten Stellen im tiefen Atlantik. Ein internationales Konsortium von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat dort eine enorme Vielfalt an Leben gefunden.
e Tiefste Stelle
Der Marianengraben ist mit 11 000 Metern die tiefste Stelle im Ozean. Er verläuft zwischen zwei tektonischen Platten im westlichen Pazifischen Ozean und ist Teil des 40 000 Kilometer langen Pazifischen Feuerrings, wo weltweit die meisten Vulkane ausbrechen und Erdbeben vorkommen. An der tiefsten Stelle ist der Druck 1000-fach höher als an Land. In diesem vermeintlich lebensfeindlichen Gebiet vermuten Wissenschaftler komplett unbekannte Lebensformen – und enorme Gasvorkommen.
Text: Brigitt Blöchlinger
Illustration: bigfish
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